Montag, 29. Juni 2009

Eingemachtes

"Im Kühlschrank steht Kartoffelsalat für dich", rief mir Frau Übermop heute früh zu, während ich unter der Haube weilte. Ein ganz klein wenig sadistisch veranlagt ist sie ja schon, denn wäre ich einer bodennäheren Tätigkeit nachgegangen, wäre ich sofort zum Kühlschrank gesprungen und hätte genascht.
Jedenfalls verstehe ich jetzt, wieso alle Kollegen so hinter diesem Kartoffelsalat nach Übermop-Hausmacherart her sind. Heute wurde ich angefixt: zunächst von der cremigen Konsistenz, ohne eine Spur von pappig-pampig; geschmacklich nur ein Hauch von Mayonnaise, ganz zart, ansonsten kräftig nach Kartoffeln, Zwiebeln, Schnittlauch, Gurken sowie nicht zimperlich abgeschmeckt. Köstlich. Ich fragte, wie es kommt, dass die Mayonnaise so zurückhaltend bleibe, was ja sonst nicht deren Art ist. Dieser selbstgemachten Mayonnaise fehlte alles Aufdringliche; sie steuerte nichts als eine feine Note bei.
Frau Übermop ließ durchblicken, dass sie seit je einem Rezept ihrer Großmutter folge. Ein Rezept, welches mit dem eisernen Dogma aller Mayonnaisezubereitungen bricht: Statt Eigelb und Eiweiß zu trennen und nur den Eidotter weiterzuverwenden, wie es die Schulmeinung vertritt, hat Oma Übermop das Eigelb mit dem Eiweiß "gestreckt", wie ihre Enkelin es ausdrückt. Hat also das Ei Ei sein lassen und im Ganzen verarbeitet. "Bringt nur Vorteile", argumentiert Frau Übermop, "erstens kommt es preiswerter; zweitens hat es viel weniger Kalorien; drittens ergibt es mehr Masse; viertens schmeckt es besser als die gekaufte Glibberpampe; fünftens sieht es nicht aus wie Glibberpampe, sondern schön sämig, und sechstens", jetzt holt sie einmal tief Luft, "glaub mir, das Selbermachen ist wieder im Kommen. Die Zeit wird kommen, wo die Leute froh sind, wenn sie im Keller Eingemachtes stehen haben." Sie hält kurz inne, macht eine wegwerfende Handbewegung, "die Leute haben ja gar keinen Keller mehr, und wenn sie einen hätten, wüssten sie nicht, wie Einkochen geht. Aber sie werden es lernen. Weil sie es werden lernen müssen."
Sie steht auf, greift nach einem Schwammtuch und fängt an, die Kaffeemaschine mit Inbrunst zu wienern. "Die Zeiten werden hart werden", sagt sie zu der Maschine, als deren Edelstahl so blank poliert ist, dass Frau Übermop sich darin spiegeln kann.

4 Kommentare:

  1. 'Weil sie es werden lernen müssen.'

    ich höre solche aussagen in letzter zeit immer öfter und es macht mir sorgen. ich habe deswegen auch schon über eine gemüse-wanne im tannenwald-garten nachgedacht. vielleicht sollte ich es realisieren, um mich dran zu gewöhnen. was meinen Sie?

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  2. Haben Sie etwa einen Garten, Sie Glückliche? Noch dazu einen mit Tannenwald? Jetzt bin ich dran mit Neidischwerden ;).
    Wenn ich Sie wäre, würde ich mir ruckzuck so eine Gemüsewanne (was ist das überhaupt?) zulegen, darin Kartoffeln züchten und dann Kartoffelsalat zubereiten. Zum Beispiel. Auf Wunsch schicke ich Ihnen gerne Frau Ü.s Mayorezept zu.
    Im Ernst, tun Sie's! Geht ja auch mit Tomaten, Kürbissen oder was immer Ihr Gaumen begehrt. Sollten die sieben krisenbedingten dürren Jahre wider Erwarten ausbleiben, macht nix, dann ernten Sie (außer den Tomaten) immerhin das befriedigende Gefühl, ein Stück autonomer geworden zu sein.

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  3. garten? ich wohne im wald ^^... nein, im ernst, das grundstück enthält 1400m² tannenwald'garten' :D und den pflegt 'der gärtner'. so ist das. [reiche vermieter muß man haben ;)]

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  4. Beste Voraussetzungen - Zeit für die Wanne! ;)

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