Mittwoch, 3. Juni 2009

Schieflagen

Um den Flaschenboy in Bewegung zu versetzen, muss man ihm unten einen kleinen Tritt geben. Dadurch kippt er nach vorne in Schräglage, so dass er sich ohne großen Kraftaufwand ziehen lässt, selbst dann, wenn er randvoll mit leeren Flaschen ist. Randvoll ist er so gut wie immer. Also ist er sauschwer. Aber er macht es mir nicht schwer. 
Fester Griff oben, kleiner Tritt unten und ab geht die Luzie. Hebelwirkung vom Feinsten. Den Rest besorgen die zwei fetten Gummiräder. Allerdings nur solange sie auf einem einigermaßen glatten Untergrund rollen. Nun ist unser gemeinsamer Morgengang zum Altglascontainer zwar kurz, dafür gepflastert mit Schikanen aller Art - Asphaltlöchern auf der Straße, holprigen Bürgersteigen, krummen Bordsteinschwellen. Von Rollen kann also keine Rede sein, höchstens von Rumpeln. Denn der Flaschenboy muss ja auf diese Unebenheiten ständig mit ruckartigen Eigenbewegungen reagieren, sonst würde er seine Balance verlieren. In solchen Momenten ist weder mir noch Außenstehenden wirklich klar, wer hier eigentlich an wem zieht. Aber irgendwie schaffen wir das. Es fühlt sich ein wenig so an, als ob ich ein störrisches, aber im Prinzip gutartiges Riesenhaustier hinter mir her bugsiere: Manchmal hat das Viech keine Lust und bleibt einfach stehen. Ich dann auch, was soll ich machen, in puncto Body mass index ist es mir haushoch überlegen. Gut zureden hilft meistens. Einmal habe ich meine Stimme sagen hören "Mann, stell dich nicht so an!", danach ging's wieder.
Auf dem Rückweg vom Container verhält sich der Flaschenboy immer ganz handzahm, kein Wunder, da muss er nur noch sein Eigengewicht tragen. Er wackelt und tänzelt dann so rum, bleibt aber im Großen und Ganzen fügsam. Gutgelaunt halt irgendwie, genau wie ich auf dem Rückweg.

So, das war die lange Einleitung zum eigentlichen, aktuellen, traurigen Thema dieses Posts. Seit heute sieht es nämlich so aus, als ob die Tage 
des betagten Flaschenboys gezählt sind: Sein Boden ist durchgerostet. Infolgedessen ist er undicht geworden. Infolgedessen lässt er auf dem Weg zum Container eine feuchte Spur hinter sich (Flüssigkeitsreste aus Leerflaschen). Infolgedessen muss er aus dem Verkehr gezogen werden. Sagen alle. Gut, ich seh's natürlich ein, weil, wie schaut das auch aus, wenn Mrs. Mop jeden Morgen mit einem inkontinenten Flaschenboy durchs Viertel tingelt. Darum habe ich heute, als Erste-Hilfe-Maßnahme, den maroden Boden von innen mit einem dieser quadratischen Eierkartons ausgekleidet.
Ob auch abgedichtet, wird sich morgen zeigen. Jedenfalls laufen Verhandlungen mit der Stadtreinigung wegen Bereitstellung eines neuen Flaschencontainers. Am Telefon drohten die von der Stadtreinigung bereits mit "neuartigen, viel handlicheren Modellen". Ich weiß gar nicht, was die wollen, der - mein - Flaschenboy ist doch nicht unhandlich. Bisschen schwerfällig, ja, bisschen altersschwach, gut, aber ansonsten ein grundsolider gemütlicher alter Brummer, an den ich mich irgendwie gewöhnt habe, und das nicht ungern. Wie gut, dass gerade heute der große halbwelke Restaurantblumenstrauß entsorgt werden musste.

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