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Freitag, 13. Juli 2012

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt


Am Mittwoch erklärte der spanische Ministerpräsident Rajoy im Parlament, das Arbeitslosengeld kürzen zu wollen (von derzeit 60 auf 50 Prozent des Bruttogehaltes nach den ersten sechs Bezugsmonaten) und erntete nicht nur spontanen Beifall seiner Parteikollegen, sondern seitens seiner Parteikollegin und Abgeordneten Andrea Fabra auch den sensiblen Ausruf, gemünzt auf arbeitslose Menschen (25 Prozent in Spanien, Tendenz schnell steigend):
"Que se jodan!"
- eine Redewendung, die mit "Sollen sie doch zur Hölle fahren!" nur sehr subtil übersetzt wäre.

Eine kämpferische junge Frau legt nach mit einem geharnischten Rundumschlag, wer oder was ihrer Meinung nach alles zur Hölle fahren sollte. Klare Worte, die auch ohne Spanischkenntnisse unmissverständlich rüberkommen. Bravo.


Montag, 5. September 2011

Arm, dumm, wertlos


Neuerdings geht's aber auch Schlag auf Schlag. Bilde ich mir das nur ein oder werden die Einschläge tatsächlich immer dichter? Jedenfalls, so viel steht fest, bei mir werden die Momente immer dichter, wo ich unterm Tisch krieche auf der Suche nach meiner Kinnlade. Letztere folgt immer häufiger der Schwerkraft, wenn mal wieder ein reaktionärer Zeitgenosse unter dem Deckmantel des Konservativismus faschistisches Gedankengut in den öffentlichen Raum emittiert.

Ich meine, man ist ja einiges gewohnt in Deutschland, so mit einem Sarrazin und Konsorten. Wo schon mal die konservative Zunge ausrutschen darf und hinterher war's gar nicht so reaktionär gemeint; wobei mittlerweile - oder täusche ich mich? - es hinterher durchaus so gemeint sein darf, wie's vorher von der Zunge gerutscht war - also, so ganz ungeniert eben und frisch von der Leber weg, und ein Blatt vor den Mund muss ebenso wenig genommen werden wie Rücksicht auf irgendwelche Randgruppen, die längst durch den gesellschaftlichen Rost gefallen sind und deswegen keine Rücksicht mehr verdienen. Speziell Randgruppen, die längst gar keine Randgruppen mehr sind, sondern auf dem besten Weg, die Mehrheit der Gesellschaft abzubilden.

Und damit hinüber nach Amerika und "the poor people". Wie, poor people? Hey, aber die sind doch gar nicht arm! Diese 43 Millionen Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, können in Wirklichkeit gar nicht arm sein, denn 99,6 Prozent von ihnen besitzen - Achtung, Kinnlade festhalten - einen Kühlschrank! Womit bewiesen ist (siehe Video), dass ein Kühlschrankbesitzer nicht arm sein kann, denn sonst besäße er ja keinen Kühlschrank. Vermutlich gehört heutzutage bereits zur Mittelschicht, wer sich Klopapier leisten kann.

Dass einer von 'denen da unten' trotz seines - sicherlich stets üppig gefüllten - Kühlschrankes arm ist, wird dabei gar nicht abgestritten, allerdings nicht weil er hungert, sondern weil er in Wahrheit - Kinnlade bitte anschnallen - arm im Geiste ist:
"Die Vorstellung, die wir von armen Leuten haben, hungernd und in ärmlichen Verhältnissen lebend, ist nicht akkurat. Viele von ihnen besitzen viele Dinge - was ihnen fehlt, ist der Reichtum an Geist (richness of spirit)."

Nie war es so einfach wie heute, seiner Verachtung für die Unterschicht freien Lauf zu lassen. Hier wird vorgemacht, wie's geht: einfach die Taktik der Entmenschlichung anwenden. Denn Menschen, die es nicht wert sind, als menschliche Wesen respektiert zu werden, sind viel leichter abzuwerten. Genauer, zu entwerten; sie nicht nur als Trash zu bezeichnen, sondern auch als Trash zu behandeln.

Sitzt die Kinnlade wieder fest? Okay. Nun zur neuesten Folge aus der Serienproduktion Human Trash Disposal, deutsch: Wie entsorge ich menschlichen Müll? An der Verachtungsschraube wurde dramaturgisch noch ein wenig gedreht; herausgekommen ist, im salonfähigen Gewand konservativer Vernunft, unverhüllt faschistische Gedankentiefe in der Onlinezeitschrift American Thinker. Die Überschrift sagt alles:
"Die Armen zum Wählen zuzulassen ist unamerikanisch."
Warum unamerikanisch? Weil die armen Leute Amerika schaden. Dem reichen Amerika.
"Ihnen (den Armen) das Wählen zu erlauben ist in etwa so, wie Kriminellen Einbruchswerkzeuge auszuhändigen. Es ist zutiefst antisozial und unamerikanisch, die nichtproduktiven Segmente der Bevölkerung zu ermächtigen, unser Land zu zerstören."
Man beachte - neben der verächtlichen, elitären Haltung gegenüber Armen - den entmenschlichenden Sprachgebrauch ("nonproductive segments of the population"), mit dessen Hilfe die Verächtlichmachung gleich viel leichter von der Hand geht.
"Wenn diejenigen, die der Gesellschaft zur Last fallen, zur Teilnahme an Wahlen aufgerufen werden, dann hilft man damit nicht den Armen. Vielmehr hilft man damit den Armen, sich an anderer Leute Geld zu vergreifen (help themselves to others' money)."
Interessant. Wenn es als unamerikanisch gilt, sich an anderer Leute Geld zu vergreifen, wüsste ich auf Anhieb eine ganze Reihe von Leuten, denen die Teilnahme an Wahlen verboten gehört, und das wären gewiss nicht die Armen. Im Gegenteil. Diesen Leuten das Wählen zu erlauben läuft auf nichts anderes hinaus, als großen Segmenten der Bevölkerung das Bailout-Geld aus der Tasche zu ziehen, bis diese verarmen und infolgedessen zu arm im Geiste sind, um noch zwischen ihrem Kühlschrank und der Wahlurne unterscheiden zu können und deshalb vom Wählen abgehalten werden müssen.

Wenn derart antisoziale Hasstiraden von geistig verarmten Zombies in einer angesehenen, als konservativ geltenden Zeitschrift ungeniert ausgespeit werden können, ist es zur offenen Menschenhatz nicht mehr weit. Das gern zitierte 'Let them eat cake' wäre dabei noch eine Verniedlichung des rhetorischen Status quo in den einschlägigen Kreisen. Hier wird unverblümt gefordert, ganze Bevölkerungsgruppen aus der Gemeinschaft auszugrenzen, ja auszustoßen.

Gemessen an der aktuellen Misere in Amerika und der absehbaren Entwicklung handelt es sich wohl bald um die Bevölkerungsmehrheit. Irgendwann wird's brenzlig für die verbleibende Minderheit. Da helfen dann auch keine Armenhäuser, Obdachlosenasyle und Arbeitslager mehr. Vielleicht doch lieber erschießen?

Samstag, 3. September 2011

Die Grünen, die Reichen und die Rechten


Die New York Times zeigt sich schwer beeindruckt von den Mainstream-Erfolgen der Partei Die Grünen in Deutschland. Überschrift:
"Die Grünen gewinnen, und die Welt horcht auf"
So war das schon immer - Gewinnertypen machen Schlagzeilen.

Besonders beeindruckend aus der Sicht der NYT:
"Obwohl ihre Wurzeln in der Linken liegen, finden die Grünen wachsenden Zuspruch von Wählern von rechts."
Das nennt man Erfolg im Mainstream.


Noch beeindruckender für die NYT:
Das Wahlplakat der Grünen im Jahr 2009:
"Jobs, Jobs, Jobs: Aus der Krise hilft nur Grün."
Hat mich im Jahr 2009 auch schwer beeindruckt, der Slogan, nachdem zuvor Grün im Verbund mit Rot mächtig in die Krise rein geholfen hat.


Am beeindruckendsten:
Das Statement von Josef Joffe, Herausgeber des Wochenmagazins Die Zeit, das er der NYT auf Anfrage gab:
"Ich wette, wenn Sie so eine Partei in Amerika hätten, alle meine reichen Freunde an der Ost- und Westküste würden sie wählen."
Ein Juwel. Ich wette, die Grünen sind stolz darauf.


Donnerstag, 18. August 2011

Verpisst euch


Wie das mit dem Plündern funktioniert, haben wir jetzt verstanden. Die internationale Finanzmafia tut's, die abgehängte Unterschicht hat gut aufgepasst und macht es nach. Wie im Großen, so im Kleinen. Nur dass halt die Großgangster straffrei ausgehen, während die elfjährigen Kleinkriminellen für ein geklautes iPod sechs Monate eingebuchtet werden. Weil, sonst könnte ja jeder. Es soll aber nicht jeder können dürfen. Dafür haben wir Recht und Gesetze, und wenn das nicht reicht, werden die eben verschärft. Oder gleich ganz ausgehebelt. Wie derzeit auf der englischen Insel zu beobachten.

Derweil machen kontinental-konservative Edelschreibstubenhocker einen auf betroffen, sorgen sich um den öffentlichen Sittenverfall oder auch nur um ihre Besitzstände, fordern ein - so großes wie diffuses - Umdenken, haben jedoch bislang durch die Bank vergessen eines zu fordern, nämlich die Strafverfolgung krimineller Banker, organisierter Finanzbetrüger und gutvernetzter Länderausplünderer. Von irgendwoher muss der Sittenverfall ja kommen, nicht wahr? Ehrlich gesagt, möchte ich lieber nicht wissen, was dabei herauskommt, wenn solche Schreibtischtäter ernst machen mit ihrem nunmehr in Mode gekommenen "Umdenken". Denn so wie die bisher öffentlich gedacht haben, schwant mir bei einem Umdenken nichts Gutes. Mir graust ein wenig davor. So viel zum öffentlichen Umdenken.

Aber egal, Hauptsache, es wird darüber geredet. Ins Gerede gekommen ist jetzt auch eine neue Variante des Sittenverfalls. Es geht um das öffentliche Urinieren. Nein, nicht das gegen einen Baum oder hinters Gebüsch. Vielmehr das Verrichten der Notdurft im Flugzeug. Nein, nicht das Verrichten derselben in der Flugzeugtoilette, sondern im Flugzeug selbst, also da, wo die Passagiere sitzen. Warum auch nicht? Der Mann von Welt pisst, wo es ihm passt.

Letzte Woche war es ein prominentes Mitglied des amerikanischen olympischen Ski-Teams, der während eines Transatlantikfluges ungeniert auf das Bein eines elfjährigen Mädchen pinkelte. Warum er das tat? Na, er musste halt mal. Dumme Frage. Diese Woche war es der bekannte französische Schauspieler Gerard Depardieu, der halt mal musste und sich darum im Flugzeug öffentlich entleert hat. Weshalb der vollbesetzte Jet zum Gate zurückkehren, dort von einer Putzkolonne gereinigt werden musste und schließlich mit zwei Stunden Verspätung in die Luft ging. Überflüssig zu erwähnen, dass die Passagiere ziemlich angepisst waren.

Im französischen Fernsehen gab es zu dem Vorfall ein öffentliches Statement der AirFrance: Es wurde zum einen bestätigt, dass es sich bei dem inkontinenten Pisser um den bekannten Schauspieler Depardieu gehandelt habe; zum anderen wurde verlautbart, es sei noch unklar, ob Depardieu wegen seiner sanitären Fehlleistung samt der aus ihr entstandenen Folgen und Kosten belangt würde, zum Beispiel strafrechtlich.

Kommentar von CBS:
"This isn't exactly first class behavior."
(Hier ein Bild des Erste-Klasse-fliegenden Sympathieträgers)

Ob auch diese Variante öffentlichen Sittenverfalls beim gemeinen Volk Schule machen wird? Oder wird das straffreie Ich-pisse-wohin-es-mir-passt-Verhalten nur den betuchten, bildungsnahen First-Class-Pinkeln vorbehalten bleiben? Hey Alder, hast du Kohle oder was, because then you can take the piss out of everybody else? Ist vielleicht ganz gut, wenn die reiche Elite dafür sorgt, dass die Massen arm sind und es auch bleiben, denn sonst würden ja künftig Flugzeuge stinken wie der Berliner Tiergarten während der Loveparade. Doch, je länger ich darüber nachdenke, desto besser finde ich die Idee, dass die meisten Leute wenig bis kein Geld haben.

Obwohl. Das war jetzt die zweite öffentliche Prominenten-Piss-Story innerhalb von nur einer Woche. Eine mehr, dann sind es drei und wir haben einen Trend. Noch eine drauf, und alle wollen es nachmachen. Organisieren sich via Twitter zum Pinkel-Flashmob. Am Ende könnte ein öffentlicher Protest daraus werden. Mit einer klaren Botschaft.
Und jetzt alle so: Piss off!

Dienstag, 9. Juni 2009

Der Ekelfaktor

Es gibt ja Leute, denen graust es vor nix. Wir wollen sie die Hartgesottenen nennen. Und dann gibt es Leute, die sind so etepetete, dass es ihnen vor praktisch allem graust (zum Beispiel vor Spinnen, Küchengullies, schwulen Straßenfesten). Nennen wir sie ruhig die Verweichlichten. Nun haben US-Forscher mithilfe einer sogenannten Disgust Sensitivity Scale herausgefunden, dass die individuelle Ekelschwelle mit der individuellen politischen Grundeinstellung korreliert. Demzufolge denken die Unerschrockenen eher liberal, während die Weicheier zum Konservativismus neigen. Hätte man so vielleicht nicht unbedingt vermutet, aber gut.
Nur, wie soll man sich jetzt in dieses Schema selbst einordnen, wenn das eigene Ekelprofil ein wenig komplexer gestrickt ist? Ich zum Beispiel stehe Spinnen völlig neutral gegenüber. Ich liebe sie nicht, aber mir gruselt auch nicht vor ihnen. Haifischskelette im Dunkeln wären gewiss ein anderes Thema, aber bei Spinnen bleibe ich stoisch. Nicht so die junge polnische Küchenhilfe: Heute vormittag entfuhr ihr ein langgezogener, gellender Schrei, und schon war sie aus der Küche gerannt. Sie rannte vor einer herumrennenden Spinne weg. In einer Kochmulde des Herdes drehte sie (die Spinne) ihre Runden. Die junge Frau zitterte am ganzen Leib, das Gesicht verzerrt von Ekel. Natürlich habe ich sofort interveniert und kam mir mächtig heroisch vor, während ich das mit fünf gekrümmten Fingern aufgeklaubte Insekt (lebend!) zum Fenster hinauswarf. Die anerkennende Reaktion auf polnischer Seite deutete ich dahingehend, dass deutsche Putzfrauen eventuell doch zu etwas zu gebrauchen sein könnten.
Ich ekle mich auch nicht vor schwulen Straßenfesten, im Gegenteil, vorgestern habe ich mich prächtig amüsiert. So weit, so liberal. Wenn da nur nicht dieser Küchengully wäre. Der hat mich geschafft am ersten Tag. Ich wurde auf der Stelle seekrank und dachte: Das kann nicht gut gehen, nie im Leben, da ist die Grenze, punktum. Strukturkonservativ bis in die Knochen. Der zweite Tag folgte und ich überlebte ihn. Ab dem dritten Tag nahm die Liberalisierung ihren Lauf: Ich stellte fest, dass das Gröfaz mir egal geworden ist. Der Ekelfaktor hatte sich verschlissen. Je egaler, desto liberaler? "Ich kann mich gar nicht satt ekeln", hat Fritz Kortner einmal so genial wie ätzend vermerkt. Er war kein Konservativer.