Freitag, 6. Dezember 2013

Mandela zum Anfassen


Hier gibt es einen unglaublich guten, unglaublich gut geschriebenen "Rückblick auf Nelson Mandela als Pop-Phänomen" zu lesen, verfasst von Robert Rotifer, einem in London lebenden Wiener.

Gut, weil sehr, sehr kenntnisreich und ausdifferenziert.
Gut geschrieben, weil überaus lebendig und engagiert erzählt, von den eigenen biografischen Erfahrungen mit dem Mandela-Phänomen plastisch durchwoben sowie von keinerlei abgehobenem musikakademischem Fachsprech getrübt.

Ich liebe es, wenn profunder musikalischer Sachverstand verschmilzt mit einer so beseelten, körperlich spürbaren Schreibe, wenn der Schreiber - statt auf fachsimpelnde Distanz zu gehen - mich anfasst und rüberbringt, dass er es mag, angefasst zu werden.

21 years in captivity
Shoes too small to fit his feet
His body abused but his mind is still free
Are you so blind that you cannot see? I said...
Free Nelson Mandela, I'm begging you
Free Nelson Mandela
Als ich diese Zeilen als 14- oder 15-jähriger zum ersten Mal hörte, war das meine erste Begegnung mit dem Namen Mandelas. Und ich war ganz sicher nicht der unpolitischste Mensch in meinem Alter. Es war die Zeit der großen Boykott-Bewegung gegen das Apartheid-Regime in Südafrika. Welche Orangen oder Bananen man kaufte, wurde zum großen Politikum. Aber wie jeder Aktivismus, der sich über einen Konsumboykott äußert, hatte auch dieser aus der jugendlichen Perspektive des Taschengeldempfängers betrachtet einen eher abstrakten Anstrich.
Der Autor erzählt von seiner Begegnung mit der Band The Special AKA und deren Titel "Nelson Mandela" und fährt fort:
"Nelson Mandela" von The Special AKA dagegen machte das Anti-Apartheid-Thema nachfühl- und (wichtig) tanzbar. Die erste Zeile nahm einen sofort mit: 21 Jahre in zu kleinen Schuhen gehen zu müssen, das war so ziemlich das unwichtigste Detail, das es über Nelson Mandelas Haft in Robben Island zu wissen gab, aber man spürte es förmlich in den eigenen Zehen. ... (weiterlesen)
Das Weiterlesen lohnt sich. Es kommt einer Reise gleich, einer Reise durch das Lebensschicksal Mandelas und dessen An- und Enteignung in der schwarzen und weißen Popgeschichte, einer Reise durch die persönliche Lebensgeschichte des Autors, seiner Anteilnahme und seines kritischen Beobachtens besonders des weißen Pop-Phänomens "Nelson Mandela".

Am Schluss seiner Reise lässt Rotifer den Schreibgriffel fallen und tut das einzig Richtige:
Ich für meinen Teil lege jetzt wieder die Special AKA-Maxi auf und warte auf die Stelle, wo alles andere aussetzt bis auf eine einsame, mächtige Bassdrum, die, von Echo beflügelt, die Bodenbretter zum Schwingen bringt.
Spätestens hier fühle ich mich unwiderstehlich angefasst, tue es ihm gleich, lege die Scheibe auf -
Und dann springe ich dazu durchs Zimmer like it's 1984.
- mach' ich genauso, hier stehe ich und kann nicht anders als zu tanzen, weil, "man spürt es auch heute noch förmlich in den Zehen", was kein Wunder ist bei so vielen ekstatischen Zehen, Füßen, Beinen, Armen, Körpern und Gesichtern:



Begging you, begging you, begging you.
You've got to free him, yeah.

Yeah. 
Zum Anfassen.
Singing, playing, dancing. 
Bodenbretter zum Schwingen gebracht.
Do it in the spirit of Nelson Mandela.

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