Dienstag, 19. Juni 2012

Wir wollen Blut sehen


Man könnte ja denken, jetzt sei erst mal für ein paar Tage Ruhe. Jetzt, wo die Wogen sich geglättet haben. Jetzt, wo die blutsaugende europäische (also deutsche) Führungselite sich beruhigt zurücklehnen könnte, weil sie weiß, dass die alte griechische Garde (Nea Democratia) wieder am Ruder sitzen wird und sie diesen linken Störenfried namens Syriza endlich vom Hals hat. Vorerst zumindest.

Also denkt man, jetzt ist erst mal Verschnaufpause an der Front. Einfach mal Ruhe. Nur für ein paar Tage. Oder wenigstens für einen Tag, einen einzigen Tag! Ist das zu viel verlangt? Ja, das ist zu viel verlangt. Denn Blutsauger geben niemals Ruhe. Solange das Tier noch zuckt, gibt es noch etwas zu saugen, da darf keine Zeit verloren werden. Wo doch jetzt schon so viel Zeit mit diesen lästigen demokratischen Prozeduren, sprich Wahlen, verplempert wurde.
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagt, Griechenland müsse jetzt die Verzögerungen infolge der Wahlen wiedergutmachen.
"Es liegt auf der Hand, dass wir während dieser Wahlkampagne Zeit verloren haben. Darum ist es umso dringlicher, nun schnell eine Regierung zu bilden."
Und zwar dalli, Herr Samaras, glauben Sie bloß nicht, Sie hätten bei uns einen Stein im Brett, nur weil Sie so ein willfähriger Typ sind. Woher wir das wissen? Na, aus Erfahrung, Sie wissen schon. Also kommen Sie mal schleunigst in die Puschen und tun Sie, was wir Ihnen sagen, klar?

Derweil treffen sich die G-7 zu einem entspannten (aufatmen, Griechenland hat gewählt!) Meeting im mexikanischen Badeort Los Cabos.
Die Finanzchefs der 'Group of Seven' begrüßten die europäische Unterstützung für die nächste griechische Regierung. Das G-7-Kommuniqué erfolgte im Vorfeld des G-20-Gipfeltreffens im mexikanischen Badeort Los Cabos, wo sich die Weltführer (world leaders) treffen, spürbar erleichtert darüber, dass die Befürworter eines IMF- und EU-Bailouts eine entscheidende griechische Wahl gewonnen haben.
Ah ja. Wer hat noch mal die griechische Wahl gewonnen? Richtig, die Befürworter, oder sagen wir doch gleich: die EU und der IMF, und zwar wohlverdient, haben ja schließlich genug in ihre Propagandafeldzüge investiert, da muss dann am Ende schon was rumkommen, man will sich ja nicht umsonst in die Hysteriekurve gelegt haben, und jetzt hat man die Marionette Samaras da, wo man sie haben wollte. Am Schlafittchen. Weiterhin kommuniziert das Kommuniqué:
"Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der nächsten Regierung von Griechenland und glauben, es ist in unser aller Interesse, dass Griechenland in der Eurozone bleibt, solange es seine Verpflichtungen respektiert."
Interessant. Griechenland darf bleiben, "solange es seine Verpflichtungen respektiert". Moment mal, hatte nicht die Marionette es zum zentralen Gegenstand ihres Wahlprogrammes erklärt, die Bailout-Richtlinien neu verhandeln zu wollen? Und genau deshalb Wählerstimmen gewonnen? Oder wie war das? Egal. Marionette bleibt Marionette, Führer bleiben Führer.
Die Eurogruppe der Finanzminister unter Vorsitz von Juncker "freut sich auf eine rasche neue griechische Regierungsbildung, die Verantwortung zeigt gegenüber dem Regulierungsprogramm, zu dem sich Griechenland und die Eurogruppe zu Anfang des Jahres verpflichtet haben."
Neu verhandeln? Ach was. Was schert uns das Geschwätz der gestrigen Wahlkampagne, heute ist ein neuer Tag, und da wollen wir Ergebnisse sehen.
"Die Eurogruppe erwartet die Rückkehr der Troika-Institutionen nach Athen, sobald eine neue Regierung in Kraft gesetzt ist", fügte Juncker hinzu. Ziel dieses Besuches sei "ein Meinungsaustausch mit der neuen Regierung auf dem Weg nach vorne sowie eine erste Überprüfung des zweiten Regulierungsprogrammes."
Klingt weniger nach Neuverhandeln, eher nach Krallenausfahren. Dabei gab sich die Eiserne Kanzlerin zunächst ganz schmusig, als sie die Marionette an der Strippe hatte, gestern abend, bevor sie in den mexikanischen Badeort jettete. Herzlichen Glückwunsch für das gute Wahlergebnis!, hat sie in den Hörer gesäuselt, bevor sie hinzusetzte:
"Gleichzeitig sagte sie, sie erwarte, dass Griechenland an seinen europäischen Verpflichtungen festhalte."
- und ergänzte, sich freue sich bereits jetzt auf den Meinungsaustausch.


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