Samstag, 18. August 2012

Hygienisch unbedenklich


Kenny Random, Italien

Eine Frau im amerikanischen Pennsylvania wird zu einer Strafe von 600 Dollar pro Tag verdonnert, falls sie es nicht unterlässt, weiterhin 60 in Armut lebende Nachbarkinder täglich in ihrem eigenen Haus mit Essen und Trinken zu versorgen. Straftatbestand: Sie ernährt die Kinder, ohne dafür eine Sondergenehmigung eingeholt zu haben. Kosten der Sondergenehmigung: 1.000 Dollar. Begründung: gesundheitliche und hygienische Bedenken seitens der Gemeindeverwaltung: "Was, wenn ein Kind an einer Lebensmittelvergiftung erkrankt?"

Jedes fünfte Kind in Amerika lebt unterhalb der Armutsgrenze. Gesundheitliche oder hygienische Bedenken, wenn hungernde Kinder Müllcontainer nach Essbarem durchsuchen, wurden bislang von keiner amerikanischen, jedoch von einer spanischen Gemeindeverwaltung geäußert. Lösung: alle Müllcontainer an Supermärkten mit Sicherheitsschlössern verriegeln. Folge: Die Kinder haben immer noch Hunger und nichts zu essen.

Das gehäufte Auftreten von chronisch unterernährten Kindern in der westlichen Welt führte bislang zu keinerlei gesundheitlichen Bedenken seitens der Gemeinde-, Stadt- und sonstigen Verwaltungen der westlichen Welt.

Ein führender Hedgefonds-Manager kam neulich zu dem Schluss, eine bedrohliche weltweite Lebensmittelverknappung stünde bevor. Ursachen: Verknappung an Wasserressourcen, Verknappung an zu bewirtschaftendem Boden, zunehmende Dürreperioden, steigende Kosten von Treibstoff und Düngemitteln. Gefehlt haben in der Ursachenaufzählung die zunehmende Privatisierung von Wasser-, Energie- und Bodenressourcen sowie die zunehmende Spekulation mit Nahrungsmitteln, besonders vor dem Hintergrund zunehmender Dürreperioden.

Das Bedrohliche an der weltweiten Lebensmittelverknappung werden, laut dem führenden Hedgefonds-Manager, unkontrollierbare "durch Lebensmittelverknappung verursachte Migrationswellen sein, die die globale Stabilität und das globale Wachstum bedrohen werden". Ausgehungerte Bevölkerungen, die wie die Heuschrecken über das globale Wachstum herfallen: Für einen führenden Heuschrecken-Manager gibt es kaum Bedrohlicheres.

Bedrohlich seien ferner die "zunehmenden Zahlen derer, die sich die Lebensmittel, die wir produzieren, nicht leisten können". Dass es bedrohlich ist, wenn infolgedessen Millionen Menschen durch Verhungern sterben werden, blieb unerwähnt; auch wurden keine gesundheitlichen oder hygienischen Bedenken gegenüber Tod durch Verhungern oder Unterernährung geäußert.

Unerwähnt blieb ferner das globale Phänomen von sich an ausgehungerten Heuschrecken sättigenden Heuschrecken.

Zwei international renommierte Ökonomen haben - angesichts der "in die Rezession zurückgeschleuderten Eurozone" (zunehmende Arbeitslosigkeit, zunehmende Armut, zunehmender Hunger, zunehmendes Elend) - den Mut, das Unaussprechliche auszusprechen:
"Es wird zu einem gewaltigen Niedergang an Humankapital kommen."
Unerwähnt blieb in ihrer apokalyptischen Analyse der Begriff Austerität.
Austerität: Einsparmaßnahmen im Sozial- und Gesundheitsbereich, Kündigungswellen großen Stils, Versklavungsmaßnahmen auf den Arbeitsmärkten.
Begründung: Wiederherstellung von Wachstum und Stabilität.
Folgen: Verarmung, Verelendung, Verhungerung sowie zunehmende Suizidraten.
Gesundheitliche und hygienische Bedenken: keine.

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