Mittwoch, 18. April 2012

Kehraus



Im griechischen Attiki (nördlich von Athen) wird das erste Internierungslager für Immigranten ohne Papiere errichtet werden. Die Errichtung von 30 weiteren Lagern für 30.000 Immigranten wurde bereits angekündigt. Zur Finanzierung der Internierungslager wird die EU 250 Millionen Euro beisteuern.

Um die Idee von der flächendeckenden Internierung von Immigranten zu realisieren, arbeitet der (tatsächlich so genannte) "Minister für Bürgerschutz" Michalis Chrysohoidis eng zusammen mit dem (so genannten) Verteidigungsministerium. Das Verteidigungsministerium zeigte sich kooperationsbereit und schickte dem Ministerium für Bürgerschutz eine Liste mit einer Auswahl an leerstehenden Militärlagern, die sich besonders gut eigneten zur Umfunktionierung in Immigranten-Internierungslager.


Der Bürgerschutzminister versäumte nicht, auf den sozial und wirtschaftlich segensreichen, das heißt arbeitsplatzschaffenden Effekt der großflächigen Internierungsmaßnahme hinzuweisen:
Für jedes dieser Internierungslager wird eine neue unabhängige Polizeidienststelle geschaffen werden, deren Personal 150 neue Polizeibeamte umfasst sowie 70 private Sicherheitskräfte pro 250 inhaftierter Immigranten.
Zur sprachlich-stimmigen Einrahmung der geplanten "Säuberungs"kampagne wurde ein sauberer, wahlkampfkompatibler
(6. Mai) Kampagnenslogan gesucht und gefunden: "Aktion Besen".

"Hast du dich je gefragt,
wie Europa aus der Außenperspektive wahrgenommen wird?
Europa sieht aus wie ein dreifach gesicherter Elektrozaun
dekoriert mit Stacheldraht."


23 Kommentare:

  1. Mich gruselt's einfach nur noch.

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    1. Sehe ich auch so.

      Ich habe auch arge Bedenken, dass "die Leute es schon kapieren werden, sobald sie selbst betroffen sind". Vielmehr sehe ich fast nur altbekannte Mechanismen am Werk, die darauf hinauslaufen, dass bei zunehmendem Druck halt nach dem nächstbesten Schwächeren getreten wird. Wobei "treten" hier als Euphemismus zu verstehen ist. Solche Nachrichten beschwören weitaus schlimmere Szenarien.

      Danke für die Rede von Frisch und deine Erläuterung bei flatter übrigens. Die Internetverbindung hatte sich gestern Abend verabschiedet, sonst hätte ich nochmal geschrieben.

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    2. "Ich habe auch arge Bedenken, dass "die Leute es schon kapieren werden, sobald sie selbst betroffen sind"."

      Es gibt diverse soziologische Studien, die belegen, dass in der Regel die Bereitschaft zu politischem Protest und nonkonformem Verhalten abnimmt, je prekärer die eigene Lage empfunden wird. Das ist nicht sonderlich überraschend, aber unterfüttert leider solche Bedenken.

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    3. @Blogwart

      "Es gibt diverse soziologische Studien, die belegen, dass in der Regel die Bereitschaft zu politischem Protest und nonkonformem Verhalten abnimmt, je prekärer die eigene Lage empfunden wird."

      Diesen Soziologen ist dann entgangen, dass in Ägypten, Griechenland, Spanien, Italien etc. die Bereitschaft zu politischem Protest und nonkonformem Verhalten zugenommen hat, je prekärer dort die eigene Lage empfunden wurde?

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    4. Natürlich nimmt absolut betrachtet die Bereitschaft zu, wenn vermehrt Menschen in prekäre Verhältnisse gedrängt werden. Nur sind absolute Beobachtungen nicht gleichzusetzen mit relativen Verhältnissen. Wenn 5 Millionen in objektiv prekäre Verhältnisse gedrängt werden und von denen nun 5000 politischen Protest praktizieren, ist das zwar eine absolute, aber keine relative Zunahme, was nichts anderes ist als das Fazit der oben genannten Studien (-> "in der Regel"). Zudem schrieb ich nicht umsonst "empfunden wird" - jemand, der aus der Mittelschicht absteigt, kann seine Lage als prekärer empfinden als jemand, der schon sein ganzes Leben in Armut verbringt, was dann dazu führt, dass dessen Bereitschaft zu politischem Protest und nonkonformem Verhalten abnimmt, weil er primär einmal bestrebt ist, seinen alten Status wiederherzustellen.
      Ägypten fällt aus dem Vergleich sowieso ganz raus, da dort völlig andere Randbedingungen herrsch(t)en.

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    5. Da fällt mir noch ein Beispiel der letzten Jahre ein: Studiengebühren und die ganze Umstrukturierung der Hochschulen haben unterm Strich zu weniger Protestbereitschaft unter den Studenten geführt. Dennoch gab es gerade zur Einführung dieser Maßnahmen große Proteste. Bloß weil mehr Protest sichtbar war, heißt das folglich nicht, dass die durchschnittliche Protestbereitschaft gestiegen ist; das eine widerspricht dem anderen nicht, genauso wenig wie im obigen Fall.

      Ich erzähle das alles nicht, weil ich das toll finde. Im Gegenteil. Aber ich tue mich mit Optimismus immer sehr schwer, weil sich bei differenzierter Betrachtung vieles leider relativiert.

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    6. @Blogwart: Es wird Zeit, daß wir uns der Gläubigkeit an solche Studien entledigen.
      Erstens gälte es, den Auftraggeber herauszufinden und zweitens wollen Soziologen schließlich auch Geld verdienen.
      Wenn ich z.B. als Student lese, daß meine Gruppe nicht aufmuckt, dann fühle ich mich schon im Vorfeld isoliert und - welche ein Wunder - mucke nicht auf.
      Wenn z.B. der spon schreibt, daß Akademiker gut bezahlt wären, wenn sie um die 40.000 Euro verdienten, dann ist das nur großflächige Einschüchterung im Vorfeld möglicher Bewerbungsgespräche, denn wer traut sich überhaupt zu denken, daß das die gleiche Summe wie vor 20 Jahren ist und man eigentlich schon von daher 60.000 (nur als Beispiel) zu Anfang fordern sollte. Das sind ja dann auch noch die anderen 50 Bewerber vor der Tür.
      Es ist schwer, aber schlag' dir das Zeug wenigstens ein bißchen aus dem Kopf. Das meiste ist mM nach zur Manipulation oder zur Selbstbestätigung irgendwelcher Interessengruppen gedacht.
      Ein Bekannter von mir ist Psychologe. Der erstellt mit anderen seit fast dreißig Jahren irgendwelche Studien.
      Einmal drohte im die Auftraggeberin vor den anderen Mitarbeitern an, daß sie "ihn umbringen" würde, wenn er seine empirisch erhobebenen Zahlen nocht dem gewünschten Ergebnis anpassen würde.
      Du magst sagen, daß sei ja nur ein Einzelfall. Aber wir kennen doch die Menschen, nicht wahr?

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    7. ...und erzähle mir jetzt bitte nichts langatmiges von "wissenschaftlichem Arbeiten" und "Objektivität".

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    8. @Blogwart

      "Wenn 5 Millionen in objektiv prekäre Verhältnisse gedrängt werden und von denen nun 5000 politischen Protest praktizieren, ist das zwar eine absolute, aber keine relative Zunahme, was nichts anderes ist als das Fazit der oben genannten Studien (-> "in der Regel")."

      Das ist mir zu schematisch gedacht, vor allem mit Blick auf die sich ausweitenden Massenproteste in den südlichen Ländern, ich betone: Massenproteste, von denen kein Mensch weiß, wie und wohin sie sich in Zukunft entwickeln werden.

      (Kann aber auch an mir liegen. Mir ist die straighte Soziologendenke in letzter Zeit etwas abhanden gekommmen.)

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    9. @R@iner

      "Es wird Zeit, daß wir uns der Gläubigkeit an solche Studien entledigen."

      Nein! Genau das Gegenteil wäre in meinen Augen vernünftig. Schon viel zu lange werden soziologische Studien belächelt, ignoriert oder nur dann verwendet, wenn sie die eigene Position untermauern.

      "Erstens gälte es, den Auftraggeber herauszufinden und zweitens wollen Soziologen schließlich auch Geld verdienen."

      Natürlich ist das bei jeder Studie zu hinterfragen. Das gilt aber nicht nur für Soziologie, sondern für so ziemlich alles, das man irgendwo liest. Objektivität ist eine Illusion, worauf du bereits zu recht hinweist.

      "Wenn ich z.B. als Student lese, daß meine Gruppe nicht aufmuckt, dann fühle ich mich schon im Vorfeld isoliert und - welche ein Wunder - mucke nicht auf."

      Soziologen (wie andere auch) stellen durch ihre Ergebnisse Realität her, ja, das muss kritisch reflektiert werden. Nur: Das darf nicht dazu führen, Ergebnisse aus übertriebener Vorsicht gar nicht zu veröffentlichen. Um deinem Beispiel zu begegnen: Es könnte auch andere dazu motivieren, erstrecht aufzumucken.

      "Es ist schwer, aber schlag' dir das Zeug wenigstens ein bißchen aus dem Kopf. Das meiste ist mM nach zur Manipulation oder zur Selbstbestätigung irgendwelcher Interessengruppen gedacht."

      Gerade bei der Soziologie habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Gegenteil korrekt ist, solange man sich nicht an jene heftet, die mehr oder weniger positivistische Soziologie betreiben oder gleich für irgendwelche regierungs- oder wirtschaftsnahen Institute schreiben. Gute Soziologie, so wie ich sie verstehe und kenne, dient nie der Manipulation oder Selbstbestätigung. Gerade das Gegenteil ist der Fall.

      @Mrs. Mop

      Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, wenn es um so etwas geht. Zum einen habe ich Hoffnung und betrachte alles mit einem latenten Optimismus, auf der anderen Seite übernehmen dann Erfahrungen und Studien wie die genannten die pessimistische Sichtweise. Ich versuche immer auszugleichen: Wenn mir etwas zu optimistisch erscheint, relativiere ich mit Negativem. Wenn mir etwas zu pessimistisch erscheint, relativiere ich mit Positivem. In diesem Kontext bitte das Obige betrachten ;)

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  2. Niemand mag solche Maßnahmen. Nicht mal die EU. Deswegen ist sie momentan auch so bestrebt, mit immer neuen Sparpaketen die sozialen Verhältnisse in ihren Mitgliedstaaten zu verschlechtern, damit gar niemand mehr auf die Idee kommt, hierher zu flüchten. Da sage noch einer, Politiker wären nicht vorausschauend.

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  3. Ist jetzt kein schrecklich erhellender Artikel, aber sei's drum: Jungle World - Wo bleibt die Fürstin?

    In der linken Debatte um Krisenproteste in Deutschland wird die spanische Bewegung des 15. Mai erstaunlich wenig beachtet. Dabei sind deren Erfahrungen sowohl für die Debatte über »M31« in Frankfurt als auch für die Bloccupy-Kampagne interessant. [..]

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    1. Muss widersprechen. Ich finde den Artikel sogar sehr erhellend.

      Danke für den Link.

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    2. Ich bin ja schon froh, daß Du nicht meinen obigen Kommentar filetiert und die Tonne gehauen hast. (Na gut, sooo viel Substanz steckt ja nun auch nicht drin.)
      Tatsächlich weiß ich ja nicht viel über "eure" Arbeit. Man wird halt mißtrauisch mit der Zeit.
      Genauso weiß ich aber, daß grundsätzlicher Pessimismus allem gegenüber mich auch nur in einer Welt aus Vorurteilen halten würde.

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    3. @ R@iner: Wenn schon dein Kommentar über die junge Frau und die Unterwäsche bei flatter stehenbleibt, dann kommste auch mit ein bissl Soziologenbashing durch ;).

      Schade, kaum geht's mal los hier, verpass ich's. Ich muss dringend mehr Zeit vor dem PC verbringen, höhö.

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    4. @Amike: Ach, immer PC ist irgendwie auch doof. Les' lieber mal "Gedichte, die einer schrieb, bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang" von Charles Bukowski oder vom gleichen Autor "Ein Profi: Stories vom verschütteten Leben" oder "Hollywood".
      Danach holst Du dir noch "Big Sur" von Jack Kerouac und ziehst dir "Clockwork Orange" (Anthony Burgess) und "Last Exit To Brooklyn" (Hubert Selby) rein.
      Nach der Lektüre all dieser Highlights dürfte es dir leicht fallen selbst in diesem Stil zu schreiben, an den sich flatter ebenso anlehnt.
      Das Vulgäre kann, muß aber nicht das Authentische sein.
      Von George Orwell gibt es einen frühen Roman ("Down and out in London an Paris") der das Leben im Prekariat beschreibt, denn um nichts anderes als die Schattenseite des "american dream" geht es bei all den oben genannten Romanen.
      Mein von dir als schlüpfrig angemahnter Kommentar ist nur ein müder Abklatsch von Bukowskis Realität.
      In youtube gibt es Interviews mit ihm.
      Kannst mal nach "Charles Bukowski Born into this deutsch" suchen, dann siehst Du schon im ersten Teil des Interviews jemanden, der genau so aussieht, wie flatter es beschreibt.

      Btw: Arthur Miller war auch nicht ganz stubenrein und Hemmingway soff und prügelte sich ebenfalls durch seine Schriften.

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    5. Ich fand deinen Kommentar eher amüsant als abstoßend, falls das nun ein bisschen pikiert herübergekommen ist. Danke für die Lesetipps, werd ich bei Gelegenheit beherzigen. Gerade geht nicht, ich schlag mich mit Foucault rum. Das mit dem 19. Jhdt. kann ich ja nicht auf mir sitzenlassen *g*.

      Ich persönlich habe ja die Theorie: Je klüger der Mann, desto schmutziger die Phantasie :P Keine Ahnung, ob es soziologische Studien gibt, die das bestätigen. Wobei "schmutzig" schon wieder sehr wertend anmutet, ich kann da nix für, ich war im katholischen Kindergarten.

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    6. "Je klüger der Mann, desto schmutziger die Phantasie":

      Leider ist es meistens nur die Phantasie ;).

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    7. 2. Theorie: Ja klüger die Frau, desto mehr bringt sie mich zum Lachen ;)

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    8. Zu Hemmingway, Suff und Prügelei fällt mir das hier ein:
      http://www.youtube.com/watch?v=YbMOhRL6wsA

      Foucault ist ein prominentes Beispiel für die von mir weiter oben so genannte "gute Soziologie".

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    9. "Foucault ist ein prominentes Beispiel für die von mir weiter oben so genannte "gute Soziologie"."

      Da sind wir uns einig, ohne wenn und aber.

      Im übrigen ist Foucault auch ein prominentes Gegenbeispiel für die von mir (20.4., 12:05) aufgestellte Behauptung.

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