Sonntag, 18. März 2012

Rauscharm



Voll staatstragender Sonntag heute, von wegen präsidial und so. Da will ich natürlich nicht nachstehen und auch mein Präsidentenscherflein beitragen. Wo sich aber alle am heutigen Tag schon auf den einen kaprizieren, wäre mein Senf dazu nicht unbedingt derjenige, auf den alle gewartet haben. Also dachte ich, guckst du mal, was sonst so los ist in der Welt des präsidialen Tratsches, und wurde fündig. Bei Joseph the Butler.

Vor ein paar Tagen gab es nämlich ein präsidiales Menü ("United Kingdom State Dinner") im amerikanischen Weißen Haus zu Ehren des britischen Premierministers Cameron. Geladen hatte, wer sonst, Präsident Obama, und hinter den Kulissen versorgt uns 'Joseph the Butler' mit backstage gossip vom Allerfeinsten.

Nun läge es einem Profi-Butler fern, an irgendeinem Detail des aufwendigen Vier-Gänge-Staatsdinners herumzunörgeln, denn wäre er nicht die Diskretion in Person, wäre der Butler kein Profi. Umso erstaunlicher ist es, dass der Butler Joseph kein Hehl macht aus seinem Befremden über die staatstragende Weinkarte: Es gab nämlich keine. Stattdessen war auf der Menükarte lediglich lieblos-schnöde vermerkt, "ein amerikanischer Wein wird zu jedem Gang gereicht werden" ("An American wine will be paired with each course"). Dass dieser "Traditionsbruch" den Butler enttäuschte, ist gut nachvollziehbar, schließlich möchte man gern wissen, welche berauschenden Substanzen zu einem festlichen Essen kredenzt werden.

Ähnlich muss es wohl einem der geladenen Gäste gegangen sein, dem Milliardär und engagierten Drogenkrieg-Gegner Richard Branson, als er schnurstracks und ohne falsche Hemmungen auf den Präsidenten zuging und ihn fragte: "Hast du mal 'nen Joint?" ("I asked Obama if I could have a spliff.") Heilige Marie-Juana, der hat Nerven! Man stelle sich nur mal vor, irgendjemand haut heute abend beim Umtrunk im Bellevue den Allparteienliebling Gauck von der Seite an, er solle mal einen Joint rüberwachsen lassen. Ha! Es gibt Dinge, die stellt man sich lieber nicht vor.

Leider ist nicht überliefert, welche Antwort Präsident Obama dem bekennenden pot puffer Branson gegeben hat. Zwar ist einerseits bekannt, dass Obama ein strikter Gegner der Legalisierung von Marijuana, andererseits aber der Meinung ist, über den Stoff zu diskutieren sei völlig legitim, solange der Stoff nicht legalisiert werde. Was bedeutet, dass man beliebig lange darüber diskutieren kann. Halt nur nicht während eines Staatsdinners im Weißen Haus, denn einerseits darf man dort - laut Protokoll - zwar mit dem Präsidenten über alles und jedes ein Schwätzchen halten:

After dinner, do not hesitate to approach the president and first lady for a brief conversation. You've been invited to their home, and they will be delighted to speak to you.
Warum also nicht mit dem Präsidenten über die Freigabe von Marijuana plaudern? Weil es, andererseits, das Protokoll verbietet, den Präsidenten beliebig lange vollzuschwafeln:
Do not monopolize the president for more than two or three minutes, however. If one of the military or social aides decides you've overstayed your chat, you will be given a polite invitation to another part of the room.
Warum also, dachte sich der prominente Hanfliebhaber, mit dem Präsidenten lang und breit palavern über die Freigabe von Marijuana? Soll der doch lieber gleich freigiebig einen Joint spendieren. Infolgedessen blieb der Chat mit dem Präsidenten deutlich unterhalb der Zwei-Minuten-Marke. Denn, wie Branson zu seinem Bedauern ergänzt, "they didn't have any."

2 Kommentare:

  1. Dieser und der vorhergehende Text sind echt toll. Manchmal bin ich neidisch, daß ich nicht wie Du oder Roberto schreiben kann.

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  2. ot: ich möchte Dich und auch r@iner kurz auf etwas hinweisen, was vielleicht für Euch von interesse sein könnte: linktipp

    ansonsten möchte ich mich r@iner anschließen: die letzten beiträge sind sprachlich einfach klasse!

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