Freitag, 29. Juli 2011

Meine betrunkene Küche


Das mit den Brombeeren will einfach nicht aufhören, dieses Jahr. Die schwarzen Dinger wachsen nach wie Unkraut und schmecken, je später die Ernte, umso köstlicher. Nur sollte man sich halt bereits vor, spätestens während der Ernte darüber im Klaren sein, wie die Brombeeren weiter verarbeitet werden sollen, sonst steht man hernach in der Küche und guckt dumm. So wie ich heute.

Es waren bestimmt vier Kilo. Beim Nachhausefahren dachte ich noch: Brombeermarmelade, was sonst, kannst du nie genug haben, hast du noch Gelierzucker zuhause?, klar, neulich auf Vorrat gekauft, kann also nix schiefgehen. Wie immer, wenn man sich seiner Sache sicher ist, geht etwas schief. Was nützen vier Kilo Brombeeren und zwei Kilo Gelierzucker, wenn keine Gläser zum Abfüllen vorhanden sind, weil alle vorhandenen Gläser bereits mit Brombeermarmelade abgefüllt sind? Gar nichts nützt einem das. Was macht man dann? Man guckt dumm.

Wie immer, wenn etwas schiefgeht, sieht man sich zur Kreativität gezwungen. Nach verzweifelter, aber erfolgloser Suche nach leeren Gläsern im Keller stieß ich dort auf ein großes altes Goldfischglas - leer, wohlgemerkt - und wusste augenblicklich, was zu tun war: Brombeerbowle, ha!


Ein unvergleichlich labendes Gesöff bei der Sommerhitze und obendrein noch schön fürs Auge (das Grüne sind keine Goldfische, sondern Limetten). Sehr hoher Fruchtgehalt - schließlich hatte ich mehr als genug Früchte.

Es blieben aber immer noch drei von vier Kilo Früchten, die der Weiterverarbeitung harrten. Brombeerkuchen, na logo!, war mein erster Gedanke, müsste für zwei schöne Bleche reichen, dachte ich; genehmigte mir vor lauter Kuchenvorfreude noch ein Gläschen, um dann ernüchtert festzustellen, dass keine Eier im Haus waren. Tja. Wie immer, wenn etwas schief geht, geht etwas zweites auch schief. Ohne Eier kein Kuchen. Nun hätte ich zwar schnell losfahren und ein paar Eier kaufen können, hatte dazu aber keinerlei Lust. Vielmehr, ich war einfach zu faul. Na ja, oder zu betrunken. Ist ja auch egal. Jedenfalls waren keine Eier im Haus.

Im treudoofen Glauben, das Internet biete für jedes Problem eine Lösung an, durchpflügte ich mindestens 97 Koch- und Backblogs auf der verzweifelten, aber erfolglosen Suche nach einem eierlosen Kuchenteig. Fazit: ohne Eier kein Kuchen. Hatte ich ja bereits vorher gewusst, insofern nicht wirklich niederschmetternd, halt nur ernüchternd, wogegen ich gottseidank ein labendes Mittel zur Hand hatte.

Was mir aber wirklich den Rest gab, war die Entdeckung, dass heutzutage fast jedes zweite englischsprachige Kuchenrezept überschrieben ist mit, na? - erraten: "Let them eat cake!" Oh Mann. Extrem originell, und so neckisch marie-antoinette-isch, und es gäbe ja gar nichts zu meckern, wenn wenigstens die finalen Backprodukte von apart-frugaler Guillotinegestalt wären, aber nein, überall liegt der gleiche Fladen auf dem Blech herum und findet sich einzigartig witzig, nur weil oben drüber steht: "Let them eat cake!". Uröd und nur zu ertragen mit einem durchgeistigten Getränk.

Nun hat mich zwar die Internetrecherche meinem Drei-Kilo-Brombeeren-Problem keinen Schritt näher gebracht, dafür aber mit einer grandiosen Bloggerin bekannt gemacht, die ich fürderhin nicht mehr missen möchte. Sie kocht und backt und bloggt und experimentiert und improvisiert und isst und trinkt genauso gern wie ich, wobei mir scheint, sie trinkt beim Kuchenbacken ein bisschen mehr als ich, wenn man mal von Tagen wie heute absieht.


Außerdem hat sie, im Unterschied zu mir, zum Kuchenbacken Eier im Haus. Dieses Defizit ficht mich jedoch nicht länger an, denn nach längerem Aufenthalt in My Drunk Kitchen sowie in my own drunk kitchen kam mir die kulinarische Erleuchtung: It's the crumble, stupid!

Was ein Crumble ist, weiß jeder, zumindest jeder, der weder Geld noch Lust zum Eierkaufen, aber Lust auf Kuchen hat: ein Arme-Leute-Kuchenersatz, in der Not erfunden während des zweiten Weltkrieges in England, als die Rohstoffe für Kuchenteig knapp, teuer und für viele Menschen unerschwinglich wurden. Von wegen, let them eat cake. Mhm, gerade kommt mein Krümelmonster aus dem Backofen, zwei gnadenlos wohlduftende Bleche mit oben knusper und unten blutrot-brombeersüß, let me eat crumble und alles wird gut. Cheers.


3 Kommentare:

  1. Nur mal so für die Zukunft: man kann sehr wohl ohne Eier backen und zwar nicht nur Crumble.

    Z.B. die hier als Inspiration http://www.vegan-wondercake.de/

    Wenns nu nich grad ne Biskuitrolle werden soll, funktioniert das meistens ganz gut.

    Bon appetit und Skål!

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  2. Danke für den Tip. Wie, ein Cupcake kostet bei denen 3 (drei) Euro? Wow, echt sozialverträglich :(. Aber egal, bin im Internet bisschen durch die vegane Landschaft spaziert und siehe da: Man nehme statt eines Eis eine zermatschte Banane, das bindet den Kuchenteig genauso gut und schmeckt womöglich zehnmal besser. Wird getestet.

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  3. Ich meinte ja auch nich, dass du das Zeug kaufen sollst, sondern dich vllt hoffentlich etwas inspiriert fühlst :)
    Das mit den sozialverträglichen Preisen is sone Sache. Die drei Euro kommen evtl sogar hin, damit die gute Frau auch davon leben kann, wenn sie nicht über Nestles Infrastruktur verfügt, andererseits ist dann die Frage, wer tatsächlich in den Genuss ihrer Kreationen kommen kann.
    Tja, gibts halt veganen Matschebananenkuchen statt Hochzeitstorte... let them eat cake!

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