Mittwoch, 6. Juli 2011

Tritt in den EU-Hintern


Jetzt, wo Griechenland bekanntlich gerettet ist und eigentlich alle beruhigt und alptraumfrei schlafen könnten, gehen die Scherereien schon wieder los. Der griechische Blogger Keep Talking Greece hat die respektlose und höchst unwillkommene nächtliche Ruhestörung auf EU-Ebene in ein witziges seifenopernhaftes Hofstaatsdrama überführt; so witzig, dass ich es - ziemlich frei - ins Deutsche übersetzt habe:

Endlich, die Kings and Queens der Europäischen Union sind aufgewacht, mitsamt den entscheidungsrelevanten königlichen Familien wie der in Deutschland. Um genau zu sein: Sie wurden brutal aus ihren Betten gerissen durch einen schmerzvollen Tritt in ihren versnobten Hintern. Hals über Kopf kamen sie durch das imperiale Treppenhaus ins Wohnzimmer heruntergerannt. Bestätigten Berichten zufolge grenzt es an ein wahres Wunder, dass sie dabei nicht über ihre bodenlangen altmodischen Nachthemden stolperten und sich heillos ineinander verkeilten. In der allgemeinen Panik ließ einer von ihnen seine Brille auf dem Nachttisch liegen; ein anderer sein Gebiss im Wasserglas; eine Queen erschien sogar - man glaubt es nicht - mit verrutschter Perücke auf dem Kopf.

Alle trugen sie weiße Bettmützen auf den Köpfen und hielten abgedunkelte Kerzenständer in den Händen, und als der ganze EU-Sauhaufen sich schließlich unten an der Treppe versammelte, war lautes, aufgeregtes Stimmengewirr zu hören: "Huch, was war denn das?", "Jemand hat mich getreten, wer war das?", "Aua, mich auch, mich auch!" Ein einziger Höllenlärm, zugleich ein babylonisches, äh, europäisches Sprachendurcheinander - bis schließlich einer von ihnen mit fester Stimme ausrief: "Das war ein Gespenst! Ein Gespenst in unserer EU-Burg!"

Oh ja - es war nämlich der fahle Schatten eines Gespenstes namens Moody's, der gerade Portugal um zwei volle Klassen heruntergestuft hatte, mit einem einzigen 'Alles Risikoramsch!'-Kick. Und das, nachdem sie gerade eben erst Griechenland zerhackt hatten - und jetzt Portugal? Das war zu viel! Das bedeutete, die ganze Kiste war außer Kontrolle geraten. Die Alarmglocken schrillten ohrenbetäubend.

Sofort meldete sich höchst verärgert ob der nächtlichen Ruhestörung König Barroso (ein Portugiese) zu Wort. Er sprach von "aufgeheizten Spekulationen", "Anzeichen von Verzerrung", und "Vertrauensverlust auf Kreditwürdigkeit" (EU attacks credit ratings agencies).

Königin Merkel hatte bereits am Tag zuvor die Rating-Agenturen beschimpft mit der Tirade "die EU hat sich schon viel zu lange von Fremdmeinungen abhängig gemacht!".

Ach, tatsächlich? Damals, als der griechische Ministerpräsident Papandreou sich beschwert hatte über willkürliche Attacken der Rating-Agenturen, war es in den Kreisen der Kings and Queens verdächtig still geblieben; alles was sie taten, war ungerührt vor sich hin zu pfeifen, und warum? Weil ihre ganze Aufmerksamkeit viel zu stark konzentriert war auf all die attraktiven, verführerischen Vermögenswerte von Griechenland. Auf die waren sie nämlich alle scharf und hatten deshalb alle Hände voll zu tun, ihre Profite aus dem Ausverkauf des Landes zu kalkulieren.

Tja, meine Damen und Herren. Beim nächsten nächtlichen Alarmruf wird es heißen: "Spanien"!
Wir empfehlen den Kandidaten, sich jetzt schon in Reih' und Glied zu stellen.

PS. Dieser Artikel wurde geschrieben in voller Solidarität mit dem portugiesischen Volk, das wir vorbehaltlos unterstützen.

PS. Sie kennen doch das Märchen vom Froschkönig? Dann sind Sie auch mit dessen herausfordernder Moral vertraut: Wenn du einen Frosch küsst, bekommst du einen Prinzen. Wenn du aber einen Prinzen küsst, wirst du höchstwahrscheinlich einen Frosch bekommen.

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