Irgendwann kommt im Leben der Moment, wo man zum ersten Mal an einer Kasse steht. Also, an einer richtigen, echten, lebendigen Kasse - nicht an so einem futuristisch dauerpiependen Elektronikgehäuse mit automatischem Scanner und Pipapo. Nein, an einer schön traditionellen Kaufmannskasse in behäbiger Oldschool-Optik, hinter der man sich fühlt wie Dagobert Duck persönlich. Einer Kasse, an der sich schon Generationen von Heringsbändigern, Tante Emmas und Onkel Ottos die Fingerkuppen an den klobigen Tasten plattgedrückt haben (ein damit verwandtes Phänomen ist der berüchtigte 'Geldzählerdaumen', womit der Kreis zur Dollar-Ente geschlossen wäre).
Das wirklich Tolle an so einer ollen Kasse sind die bodenständigen Geräusche, die sie auf entsprechenden Tastendruck von sich gibt. Ich liebe diese Geräusche. Wenn der große Kassengott im Inneren der Kiste die eingegebenen Beträge addiert, macht er das mit einem lautstarken Gurgeln und beendet sein Rechenwerk mit einem martialisch brutzelnden Getöse, dass es eine Freude ist, ihm dabei zuzuhören.
Kein Wunder also, dass ich in froher Erwartung Posten an der Kasse bezog, als es galt, eine Flasche Wein zu verkaufen. Sauvignon Blanc sollte es sein. Er wolle gemeinsam mit seiner Frau heute abend ein gutes Tröpfchen genießen, was hamse denn da so im Sortiment, fragte der Kunde. Einiges, antwortete ich wahrheitsgemäß und zeigte ihm das Regal, vor dem der Kunde alsbald in andächtiger Versenkung verharrte und Etiketten studierte, Flaschen liebkoste sowie - es entging mir nicht - Preise verglich.
Unter zehn Euro die Flasche, habe er sich gedacht, der gutgekleidete Herr mit den silbermelierten Schläfen und den manikürten Händen. Aha, sagte die neue Kassenkraft, das werde die große Auswahl auf quasi natürlichem Wege einschränken und damit erleichtern. Oho, sprach der silbergraue Panther, nicht dass ich dächte, seine Angetraute wäre ihm keinen kostspieligeren Wein wert, vielmehr habe die Gemahlin ihn angehalten, nicht mehr als zehn Euro auszugeben. Ah ja, gab ich einfühlsam zurück, wir Frauen verstünden eben etwas von solidem Wirtschaften, nicht wahr. Das gefiel dem Panther gut.
Schließlich stellte er die Weinflasche seiner Wahl neben die Kasse - 9,95 Euro bei knapp unterschrittener Schmerzgrenze -, legte einen 50-Euroschein daneben und widmete sich sehnsuchtsvoll ein letztes Mal den teureren Gewächsen im Regal. Derweil kloppte ich die Tasten, drückte die Warengruppe, genoss den unvergleichlichen Soundtrack, ließ es gurgeln und brutzeln und - wartete. Wartete, dass sich die Schublade mit dem Wechselgeld öffnete. Sie tat es aber nicht. Sie blieb verschlossen. Sie ging einfach nicht auf, die blöde Schublade.
Grübelnd stand ich hinter der verhexten Kasse, während fünf Meter entfernt der Panther gerade eine 29,95-Euro-Flasche meditativ begutachtete. "Sagen Sie mal", rief ich zu ihm hinüber, "haben Sie zufällig eine Ahnung von Kassenwesen?" "Mehr als mir lieb ist", kam es feinsinnig vom Weinregal zurück, "wo ist das Problem?" "Das Problem", gestand ich, "ist die Schublade - wenn ich die nicht aufkriege, kriegen Sie entweder kein Wechselgeld oder keinen Wein." Wie aus der Pistole geschossen und ohne einen Blick auf das Kassenwesen zu werfen rief der Panther: "Die rechte untere Taste, die breiteste von allen, die am abgenutztesten aussieht!"
Wow. Ein Druck auf das breite Ding, und mit sattem Knirschen sprang die Schublade auf. Gutgelaunt fragte ich den Panther, ob wir vielleicht die Jobs tauschen sollten? Ob er womöglich bei einer Spielbank arbeitete, bei so viel Expertise? Das fand er ungeheuer erheiterlich und kriegte sich nicht mehr ein: "Spielbank", lachte er, "ja, könnte man fast so sagen, doch, da ist was dran - um genau zu sein, ich arbeite bei einer Privatbank, Abteilung Risikokapital", worauf ich mir die Bemerkung nicht verkneifen konnte, jetzt sei mir klar, weshalb seine Frau zumindest beim häuslichen Weinkonsum kein Preisrisiko eingehen wolle.
Dies veranlasste den Bankerpanther zu nachdenklichem Innehalten. Bedächtig stellte er die 29,95-Euro-Flasche zurück ins Regal und sinnierte: "Vielleicht wäre es tatsächlich besser, die großen Geldgeschäfte in die Hände von Frauen zu geben", und dann, zu mir gewandt, "verstehen Sie denn etwas von Bankwesen?", was mich erneut ins Grübeln brachte, von welchen Wesen jetzt eigentlich die Rede war. "Wie man's nimmt", entgegnete ich, "auf jeden Fall verstehe ich von Risikokapital eine ganze Menge."
Ob das mein Ernst sei, wollte er wissen. Klar, sagte ich, mein ganzes Leben sei quasi eine einzige risikokapitalistische Veranstaltung. Um die silbernen Schläfen herum begann es zu zucken, als er sein Wechselgeld einstrich und die Flasche unter den Arm klemmte. Als die Hand mit dem Wechselgeld schon in der kaschmirnen Manteltasche verschwunden war, zog er sie wieder heraus und besann sich auf die schöne alte Tradition des Trinkgeldes. "Oh, endlich mal wieder was zum Verzocken", platzte ich heraus und bedankte mich artig.