Sonntag, 18. Oktober 2009

Raus mit der Sprache


Die Frage: Und wo arbeiten Sie? klingt ja so ähnlich wie die schon erwähnte Frage: Und was machen Sie so beruflich?, und worauf die Fragerei eigentlich hinausläuft, ist klar: Kann ich mal Ihren sozialen Status abtasten?


Wenn nun die Antwort darauf hinausläuft, einen niedrigen sozialen Status preiszugeben (beispielsweise Putzfrau oder Prostituierte), tut die Antwortende gut daran, genau zu wissen was sie tut. Und das heißt zuallererst: raus aus der Defensive! Kein Rumeiern, kein Rumgedruckse, Ross und Reiter nennen. Feste Stimme. Fester Blick. Unbefangen reagieren zu können auf die Befangenheit des Fragenden, wenn eins der P-Worte erst einmal gefallen ist - darin liegt die Kunst.
Klingt einfach. Ist schwer. Und dann doch wieder leicht. Dauert lange.

Ich bin noch am Üben. Das Üben lohnt sich. Manchmal merke ich zu meiner Überraschung, wie ich anfange, Situationen zu genießen, die ich früher gemieden habe wie die Pest.
Ich selber rede auch nicht besonders gern darüber. Obwohl mein Bedürfnis, davon zu erzählen, groß ist. Also dachte ich mir: warum nicht bloggen?,
lese ich in meinem ersten Blogeintrag. Und tatsächlich, vor fünf Monaten war ich noch bemüht, besagten Undwasmachstduso?-Ritualen aus dem Weg zu gehen. Weil sie mich genervt haben. Weil sie stets nach dem gleichen Muster abliefen. Weil ich mich ihrem stets gleich ablaufenden Muster ausgeliefert gefühlt habe. Weil mir nicht bewusst war, dass ich es mir in der Defensive bequem gemacht hatte.

Üben heißt: Bewusst aus jener Grauzone der Defensive im Gespräch heraustreten. Konturen annehmen. Auftreten. Handeln statt Reagieren. Gestalten statt Hinnehmen. Steuern statt Ertragen. Durchatmen. Sich aufrichten. Niedriger sozialer Status? So what. Kein Grund, sich zu ducken.

In Salon.com, einem amerikanischen Onlinemagazin, gibt es eine Ratgeberkolumne für alle möglichen Lebensfragen. Eine Leserin hatte sich lamentierend an den Kolumnisten gewandt: Es sei ja wohl nicht korrekt, einer Frau, von Beruf Stripperin, das Negativlabel Stripperin zu verpassen und die Stripperin tatsächlich eine Stripperin zu nennen. Das sei diskrimierend, klagte jene Leserbriefschreiberin. Nachdem der um Beistand gefragte Kolumnist in warmen Worten geantwortet und der Leserin Balsam auf die wunde Seele gestrichen hatte, brach ein kontroverser Kommentarsturm los.

So weit, so unrelevant. Wäre da nicht ganz am Ende des Threads ein bemerkenswerter Kommentar aufgeschlagen, wo sich ein Profi mit niedrigem sozialen Status zu Wort meldet. Klartext redend, mit Konturen und aufrechtem Gang:

As a sexworker, I completely understand.

Yes, that's right folks. I am a sexworker. You may know me as a hooker, prostitute, whore, etc. However, I am also your next door neighbor, the woman who generously gives to the Streetwise guys every single day, the woman who you see at the gym on the treadmill, the woman you see volunteering at a street festival or the woman out on the street walking her very cute dog. Do I look like a sexworker? Well, no, I probably don't look like any sexworker most people imagine. I'm rather average with cute face and relatively okay body. I am not hot by any stretch of the imagination. Basically, I look like any other woman living in my Chicago neighborhood.

What's the point of the above paragraph? It's because I know first hand how it feels to be judged SOLELY on the basis of my occupation. If I'm feeling sassy, I come right out with it at social events. The look of shock and horror is almost always amusing. Most people say, "Seriously?" Yes, seriously folks. I give hand jobs for a living. Their image of me completely changes though. I turn into a monster who is addicted to meth, beats her 14 children and was molested as a child by her multiple stepfathers. It doesn't bother me anymore though. People, in general, are small minded. Sexwork, stripping, illegals and all kinds of other things make them uncomfortable. People like to judge and classify. That will never change. What has to change (and I say this because I have a hunch you may be a stripper) is how you feel about yourself. People cannot hurt you unless you let them. Who cares what other people, strangers at that, say about strippers, illegals, etc. You cannot control those people. You can only control your reaction to those people. If you're a kind, compassionate person who likes and respects herself. what other people think doesn't matter.

-- windycityolive


Ich ziehe meinen Hut.


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