Sonntag, 16. September 2012

Was zum Teufel?


Es ist ja dieser Tage viel die Rede von religiösem Fanatismus; sowie von Menschen, die - infolge verpasster Aufklärung - in mittelalterlich anmutenden Denkstrukturen steckenbleiben, frömmelnder Irrationalität zum Opfer fallen und aus der obsessiven Haut ihrer Intoleranz nicht rauskönnen. Die aus der Mücke ihrer Verletztheit einen Elefanten aus Ärger, Wut und wüsten Drohungen machen. Die lauthals herumbrüllen und sich so maßlos wie unverständlich aufregen über das, was andernorts unter Freiheit der Meinung und der Kunst der Parodie verstanden wird.

Wenig indes ist die Rede von der Kunst des exzessiven Dronen-Einsatzes, der Freiheit präsidentialer kill lists und der kollateralen Tötung von Zivilpersonen; noch weniger von dem Ärger, der Wut und der Verletztheit genau darüber. Aber das nur am Rande.

Vor lauter medialer Aufgeregtheit über jene unverständliche, maßlose Aufregung in fernen Ländern, die so mittelalterlich-irrational-obsessiv ticken, sind Nachrichten über mittelalterliche Obsessionen im nahen Hinterland völlig ins Hintertreffen geraten. Das ist schade, lehrt doch ein Blick in das zivilisierte, christliche Nachbarland Polen, dass religiös obsessives Gedankengut wieder schwer im Kommen ist. Und wenn das ehemals kommunistische Polen vom Kapitalismus eines gelernt hat, dann dies: Wo etwas im Kommen ist, da ist ein Markt, und wo ein Markt ist, lässt sich ein Geschäft machen.

In Polen, so ist zu erfahren, boomt der Exorzismus. Was liegt näher, als die steigende Nachfrage nach der Teufelsaustreiberei zu kommerzialisieren?
Infolge des boomenden Exorzismus in Polen haben sich römisch-katholische Priester mit einem Verleger zusammengetan, um die - wie sie es nennen - weltweit erste Monatszeitschrift herauszubringen, deren thematischer Schwerpunkt exklusiv auf der Austreibung des Teufels liegt.
Anlässlich des Magazin-Launches vor wenigen Tagen erklärte Pater Aleksander Posacki - Professor für Philosophie und Theologie sowie Dämonologe und Mitglied eines internationalen Expertenteam römisch-katholischer Exorzisten -, die sprunghaft gestiegene Anzahl aktiver polnischer Exorzisten "innerhalb der letzten 15 Jahre spreche für sich": Wo so viele Teufelsaustreiber walten, muss es viel Teuflisches auszutreiben geben.


Natürlich wurde der international anerkannte Exorzismusexperte gefragt, wie er sich diesen rasanten Anstieg teuflischer Besessenheit in der Bevölkerung erklären könne. Um eine säkular-aufgeklärte Antwort nicht verlegen, nannte Posacki als Ursache den "Systemwechsel": Der Kapitalismus macht's möglich. Und zwar nicht etwa der im kapitalistischen Detail steckende Teufel, der schon manchen zum Wahnsinn getrieben hat; vielmehr der kapitalistische freie Markt, der endlich den Teufel samt der von ihm Besessenen aus den Klauen des atheistischen Kommunismus befreit und ihn/sie einer segensreichen Vermarktung zugeführt hat:
"Indirekt verdanken wir das dem Systemwechsel: Der Kapitalismus schafft mehr Chancen zum Geschäftemachen im Bereich des Okkultismus. Wenn sich mit ihm Geld verdienen lässt, wächst er natürlich," sagte Posacki,
beeilte sich jedoch hinzuzufügen, dass "authentischer Exorzismus absolut gebührenfrei" zu haben sei. Sage also keiner, der freie Markt der Seelsorge ziehe seine vom Bösen besessenen Schäfchen über Gebühr über den Tisch. Was nicht ist, kann ja noch werden, nichts ist unmöglich im kapitalistischen System. Immerhin gibt es in Warschau bereits drei Monate lange Wartelisten bei dort tätigen Exorzisten ("Wir haben alle Hände voll zu tun," reibt sich ein polnischer Austreiberkollege die Hände).

Satanische Besessenheit, so Posacki, sei "das Resultat, wenn jemand Böses begehe: Stehlen, Töten oder andere Sünden" - wer jetzt an übergriffige Invasionen in erdölreiche Länder denkt, ist völlig schief gewickelt - und ergänzte, das professionelle Austreiben böser Geister folge einem von Papst Johannes Paul II im Jahr 1999 anerkannten Handbuch ritueller Gebete. In der Erstausgabe der Exorzistengazette ist von einem "spirituellen Staubsauger" die Rede.

Noch ist unklar, ob es künftig im Inneren des neuen Magazins ein doppelseitiges, herausnehmbares Star-Poster - 'heißestes Exorzismus-Model des Monats' oder so - geben wird; denkbar wäre auch eine von satanischen Textilien befreite Modestrecke ('Wie ziehe ich mich für eine zünftige Exorzisten-Dinnerparty an?') oder ein paar Peitschenhiebe gratis bei Erst-Abo.

Fast könnte man - angesichts solcher mittelalterlich anmutender, dabei kapitalismuskompatibler Denkstrukturen - lauthals herumbrüllen, sich maßlos aufregen und seinem Ärger und seiner Wut Luft machen; wenn es sein muss, mit wüsten Drohungen. Es sei aber dringend davon abgeraten. Denn wer solcherart aus der Haut seiner Toleranz fährt, macht sich verdächtig -
"Besessenheit vom Teufel manifestiert sich in Form von Schreien, Brüllen, Ärger, Wut und Drohungen," sagte Posacki.
- kann also, erstens, nur ein von katholischen Priestern in seiner Jugend missbrauchter (und darum vom Bösen besessenen) Ministrant oder, zweitens, ein kritikfähiger (und darum per se vom Bösen besessener) Mensch oder, drittens, ein protestierender, andersgläubiger (und darum das Böse schlechthin verkörpernder) Bewohner eines fernen, erdölreichen Landes sein.

2 Kommentare:

  1. "spiritueller Staubsauger"
    --> Who you gonna call? - Ghostbusters!
    Soviel zum Thema "Aufgeklärtes Abendland"
    Ist immer noch zappenduster hier.
    "Schreien, Brüllen, Ärger, Wut und Drohungen"
    Scheiße, ich war also mit drei, vier Jahren vom Teufel besessen. Wahrscheinlich höre ich deswegen gerne mal Metal.

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  2. Der Teufel ist doch auch nie da, selbst wenn man ihn mal bräuchte...;-)

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