Samstag, 13. April 2013

They do it her way


Orwell im Vollcheck:

Bei Zensur handelt es sich dann um keine Zensur, wenn zensiert wird und die zensierende Instanz behauptet, es handele sich "definitiv um keine Zensur". 

Um was dann? Um einen, so die britische BBC, "nach hartem Ringen" gefundenen "schwierigen Kompromiss"

Nachdem das zum Anti-Thatcher-Protestsong umfunktionierte Lied Ding Dong The Witch is Dead die Charts gestürmt, die Top Ten erreicht hat und sich nunmehr anschickt, Platz Eins zu erobern, traf die BBC nach hartem Ringen sowie unter starkem Druck seitens einiger Parlamentarier der Tories die Entscheidung, den Song trotz hoher Beliebtheit beim Hörerpublikum nicht in seinem Programm zu spielen.

Jedenfalls nicht in voller Länge. In einem nach hartem Ringen gefundenen schwierigen Kompromiss wird der Rundfunksender einen höchstens fünf Sekunden dauernden Clip aus dem einschlägigen Song präsentieren; dies allerdings nicht im Rahmen der gewohnten Hitparade, sondern "im Nachrichtensegment":
"Mit Nachrichtensegment meine ich, ein Nachrichtensprecher wird Ihnen etwas zu der Tatsache erklären, dass diese Aufnahme einen gewissen Rang in den Charts erreicht hat, was er mit einem kurzen Clip dokumentieren wird."
- womit bewiesen wäre, dass es sich "definitiv um keine Zensur" handelt. Sondern, um das mal klarzustellen (Moment, muss kurz kopfrechnen), bei einem höchstens fünf Sekunden dauernden Clip eines knapp einminütigen Songs um eine allerhöchstens 90-prozentige Zensur. 

Eine 90-prozentige hat gegenüber einer 100-prozentigen Zensur den Vorteil, dass sie als "Kompromiss" durchgeht und keiner sie als Zensur bezeichnen darf und obendrein (glaubt man bei der BBC) der unliebsamen Anti-Thatcher-"Kampagne" der Wind aus den Segeln genommen werden könne:
"Den Song komplett auf den Index zu setzen würde riskieren, der Kampagne den Sauerstoff von noch mehr Publicity zu liefern und eine bereits delikate Situation weiter anzuheizen."
Das hätte der Leiter von BBC Radio 1 nun wirklich nicht delikater formulieren können. "The oxygen of publicity" - an ihren delikaten Metaphern sollt ihr sie erkennen: Zu Lebzeiten war "the oxygen of publicity" eine gern gebrauchte rhetorische Figur von Margaret Thacher, um der Presse einen Maulkorb zu verpassen. Und nein, dabei hatte es sich definitiv um keine Zensur gehandelt, sondern lediglich um einen stinknormalen Maulkorb.

Musik ab. In voller Länge. Ohne Maulkorb.


4 Kommentare:

  1. 5 Sekunden mit Sauerstoff versorgen!? Der Mensch braucht/will mehr.
    Danke für den Kommentar und das Video.

    Gruss Troptard

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    1. Hast Du, glaube ich, falsch verstanden. Die BBC hat so argumentiert: Den Song komplett zu bannen (statt ihn 5 sec lang zu spielen) würde den Thatcher-Gegnern Rückenwind (=Sauerstoff) geben, weil damit der Zensurvorwurf noch massiver im Raum stünde als er es eh bereits tut.

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  2. Dank auch von mir für Video und Text!
    For heaven´s sake, the witch is dead.

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