Donnerstag, 16. Februar 2012

Ist der Ruf erst ruiniert...


...blamiert man sich ganz ungeniert.

Wie gewinne ich die Herzen und Köpfe der Griechen im Flug? Also, ähm, im deutschen Tiefflug? So, dass kein Grieche mehr auf die absurde, historisch völlig an den Haaren herbeigezogene Idee kommt, öffentlich eine Hakenkreuzflagge zu verbrennen? Und endlich wieder Ruhe herrscht dort unten in der Aegaeis? Ganz einfach: mit ein wenig Diplomatie nach deutscher Hausmacherart.

Der deutsche Finanzminister Schäuble macht es vor:
"...his German counterpart (finance minister) suggested postponing Greek elections and installing a new government without political parties."*
Richtig gelesen: Schäuble, die alte Grinsekatze, möchte die im April anstehenden Wahlen in Griechenland gern verschieben und stattdessen eine neue Regierung ohne politische Parteien installieren (jawollja, installieren!). Und trompetet dies, als deutscher Politiker, völlig komplexfrei in alle Öffentlichkeit: Hiermit geben wir bekannt, dass wir bereit sind, die Demokratie den Interessen der Finanzmärkte zu opfern; weil, diese lästige Demokratie steht unserem sogenannten europäischen Projekt eh nur im Weg, also weg damit. Kann man ja mal einfach so sagen, oder?

Wird in Griechenland bestimmt super ankommen. Wird die Ressentiments gegen deutsche Großmannssucht sicherlich auf einen Schlag zum Verstummen bringen. Wird die Erinnerungen an 1941 ein für allemal auslöschen. 1941? Ging für die Griechen nicht besonders gut aus. Für die Deutschen, ein paar Jahre später, noch viel weniger.
"Als die SS und der Hunger eine Million Bürger umbrachten und die Wehrmacht systematisch das Land zerstörte, die landwirtschaftliche Produktion und das Gold der Banken stahl, retteten die Griechen mit der Schaffung einer Bewegung der nationalen Solidarität das Volk vor dem Hunger und bildeten ein 100.000 Mann starkes Partisanenheer, welches 20 deutsche Divisionen in unserem Land aufhielt."
"Wenn man bedenkt, dass die deutsche Besatzung uns eine Million Tote und die totale Zerstörung unseres Landes kostete, wie ist es dann möglich, dass wir Griechen die Drohungen der Frau Merkel und die Absicht der Deutschen dulden, uns einen neuen Gauleiter aufzuzwingen...diesmal mit Krawatte..."

(In einem offenen Brief vom 14. Februar 2012 bezichtigt Mikis Theodorakis Politiker und Banken der Verschwörung gegen das griechische Volk.)

*Zitat aus der (mir nicht zugänglichen) Financial Times, das heute früh im Internet die Runde macht

8 Kommentare:

  1. Wundert mich alles gar nicht. Unserer deutschen Politik-"Elite" fehlen bekanntlich (auch) die elementarsten Geschichtskenntnisse.

    Konsequenterweise sind es diesselben "Politiker", die das Fach "Geschichte" in Universitäten und Schulen fast zu Tode gehungert haben.

    Wer braucht auch noch Geschichtskenntnisse? Jung, billig, willig, unkritisch - so und nicht anders wünschen sich "die Finanzmärkte" ihr Kanonenfutter von den Wirtschafts-Kadettenanstalten, die früher mal Universitäten hießen.

    Das Ideal heißt eben nicht mehr Humboldt, sondern Marmeladenfabrik. Marmeladenfabrikanten und ihre Sklaven haben keine Geschichte und brauchen keine. Glorreiche Zeiten.

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  2. "Unserer deutschen Politik-"Elite" fehlen bekanntlich (auch) die elementarsten Geschichtskenntnisse."

    Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ein führender (hm?) Politiker wie Schäuble die Geschichte nicht kennt? Der kennt die Geschichte sehr genau, nur interpretiert er sie halt verschieden statt sie zu verändern (um es mal flapsig und in Anlehnung an ein großes Zitat zu sagen); der Rest ist Propaganda.

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  3. Die "Geschichte nicht kennen" - das ist eine sehr vage Diagnose. Ich behaupte: wenn unsere Helden Genaueres mit dem Namen Heinrich Brüning verbänden, würden sie in ihrer Finanzkrise nicht so platt vom "Sparen" schwafeln.

    Keine Ahnung, ob bei Schäuble was klingelt, wenn er "Griechenland", "Deutschland" und "1941" hört. Eher nicht.

    "Sehr genau" kennt der allenfalls seine eigene Geschichte. Genau genug, um sie zu hassen. Vor allem die drei zentralen Kapitel "Helmut Kohl", "Attentat" und "100 000 DM".

    Ich halte es für einen groben Fehler, einen verbitterten, ausgebrannten, schwer gezeichneten, jenseits der Politik nicht mehr lebensfähigen Berufszyniker ausgerechnet zum Finanzminister zu machen.

    Aber wer fragt mich schon... :-)

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  4. "Die "Geschichte nicht kennen" - das ist eine sehr vage Diagnose."

    Mag sein. Dennoch resultiert die Art, wie ein Schäuble - und keineswegs nur er - agiert und spricht, nicht etwa aus Unkenntnis der Geschichte, sprich: aus schlichter Ignoranz, sondern aus weitaus niedrigeren Motiven. Warum sonst greift er ständig nach der Methode der Demütigung, des befehlshaberischen Tons, der mitunter unverhüllten Verachtung; einer Form des Umgangs mit Menschen, die immer auch mit sadistischer Lust, einhergehend mit der eigenen Überhöhung, verbunden ist?

    Seine eigene politische Biografie mag da durchaus eine (ihn individuell antreibende) Rolle spielen, aber er tritt ja wahrlich nicht als Solitär auf, sondern gibt nur das Frontschwein (heute schon den Frontbericht gelesen?). Hier wird mit vereinten Kräften getreten nach einem Volk, nach dessen Stolz, historischem Gedächtnis und Widerstandsgeist.

    Und dieses Volk begehrt auf und versucht sich zu wehren, siehe z.B. die deutlichen Worte von Mikis Theodorakis' offenem Brief. Spätestens jetzt könnte ja bei Schäuble und Konsorten "was klingeln", selbst wenn er bislang noch nie etwas von 1941 gehört haben sollte. Ist doch eine phantastische Nachhilfelektion in Geschichte, die er da frei Haus geliefert kriegt! Und? Klingelt's? Mitnichten. Der Ignoranz geschuldet? Mitnichten. Hier walten pure Herrschsüchtigkeit, Unterjochungsdrang und Lust am erniedrigenden Nachtreten. Nicht weil sie nicht wissen, was 1941 war, sondern weil sie sich einbilden, sich dreist über dieses Wissen hinwegsetzen zu können.

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  5. Warum Schäuble "nach der Methode der Demütigung, des befehlshaberischen Tons, der unverhüllten Verachtung [...] mit sadistischer Lust" greift?

    Ganz einfach: weil er keine andere Tonlage (mehr) beherrscht. So "führt" er sein Ministerium, so "führt" er seine Mitarbeiter (siehe den beklagenswerten Offer), so setzt der sich mit Problemen aller Art - hier Griechenland - auseinander. Einen anderen Modus hat er nicht.

    Der Mann ist eigentlich Schmerzpatient und nicht dienstfähig. Der ist nur noch in der Politik, weil er a) süchtig nach dem Adrenalin ist und b) die Ablenkung von seinem persönlichen Elend braucht. Von c), all den dienstbaren Geistern (Fahrer, Leibwächter, Arzt, Sekretärin, Referent), die ihn quasi in Vollzeit betreuen, ganz zu schweigen...

    Gesundheitliche Ruinen, die lebenslang im Chefsessel kleben, warum erinnert mich das an die KPdSU?

    PS.: Wenn der mal seinen Dienstausweis etc. pp. abgeben muß, gebe ich ihm kein halbes Jahr mehr.

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  6. Vor vier Tagen lachte ich noch Tränen über dieses brilliante Stück Satire über Schäuble:

    "Guten Morgen Deutschland,

    ich will an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, endlich der deutschen Volksgemeinschaft reinen Wein über unsere längst beschlossene zukünftige Strategie gegenüber der Schafskäserepublik Griechenland einzuschenken."

    "Statt diesem Solidaritäts-Bla Bla werden wir Griechenland weiter ordentlich die Daumenschrauben anziehen, weitere Senkungen des Mindestlohns und drastische Mehrwertsteuererhöhungen verlangen, und so das Volk weiter gegen ihre „Ausverkaufspolitiker" aufbringen, bis es schliesslich zu einer Art allgemeinen Volkszorns kommt, und Griechenland von selbst aus der Gemeinschaftswährung aussteigt, und das Euro-Handtuch wirft."

    "Damit sind wir das Problem Griechenland erst einmal los. Die sozialen Implikationen unseres Vorgehens interessieren uns Politiker dabei herzlich wenig, wir sind schliesslich keine Sozialarbeiter.
    Das Wohlergehen unserer Banken ist für uns weit wichtiger."

    "Es bleibt dabei, Griechenland fliegt raus aus dem Euro-Klub und kann Mitglied im Club der Dritten Welt werden."

    Heute kommt Schäuble endlich aus den verlogenen (Merkel-)Puschen ("Griechenland muss unter allen Umständen in der Eurozone bleiben!") und liefert die bittere Realsatire nach:

    "The German finance ministry is actively pushing for Greece to declare itself bankrupt. ... The severe austerity measures being demanded have caused such fury in Greece, and the cuts required are so deep, that Wolfgang Schäuble, the German finance minister, does not believe that any government would be able to implement them."

    Mit anderen Worten, Griechenland wurde von langer Hand und mit kalter Berechnung so weit getrieben, dass es jetzt (nur scheinbar) von sich aus das Handtuch werfen wird, Merkel ein weiße Weste und ihren deutschen Heldenstatus behält, während Schäuble die Dreckarbeit an der Front verrichtet. Ein perfektes 'Good-Cop/Bad-Cop'-Spiel.

    So gesehen, "einen anderen Modus hat er nicht" (als den des 'Bad Cops': korrekt.

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  7. ...warum ist der Attentäter damals nicht erst mal auf den Schiesstand üben gegangen?

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  8. @Anonym: Du verkennst den Ernst der Lage. Die Gesinnung ist es, die alle austauschbar macht.

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