Samstag, 31. März 2012

Sehschwäche


"Guten Morgen.
Wir begrüßen euch mit einem sehr kreativen Bild
über die gestrige Situation in Barcelona:"


Aus Wut über unverhohlen unternehmerfreundliche Arbeitsmarktreformen traten am Donnerstag spanische Arbeiter in einen landesweiten Streik und versuchten, das Land zum Stillstand zu bringen durch Verkehrsblockaden, Ladenschließungen und Zusammenstößen mit der Polizei in gewalttätigen Demonstrationen.

In den großen Städten eskalierten die Proteste; es brachen Handgemenge aus zwischen der Polizei und den Streikenden. In der zweitgrößten Stadt Barcelona bewarfen vermummte Aktivisten nicht nur Bankgebäude und Schaufenster mit Steinen, sondern setzten Straßen-Müllcontainer in Brand.
(vgl. linke Bildhälfte, "Vandalismus der Straße")

Vertreter der internationalen Finanzmärkte zeigten sich beunruhigt über die Unruhen auf Spaniens Straßen:
Investoren machen sich Sorgen angesichts der Aussicht auf fortgesetzte, um sich greifende soziale Unruhen, ähnlich wie im unlängst geretteten Griechenland.
Es bestehe jedoch kein Grund zur Beunruhigung, beruhigte ein Experte, denn Spanien sei ja schließlich nicht Griechenland und die Spanier viel vernünftiger als die Griechen:
Jedoch ist der Management Professor José Ramon Pin von der IESE Business School der Meinung, dies (=fortgesetzte, um sich greifende soziale Unruhen) würde in Spanien nicht passieren, weil die Spanier - wenn auch widerwillig - akzeptierten, dass das Land eine radikale wirtschaftliche Veränderung brauche.
Es werde alles getan werden, um die sensiblen Finanzmärkte zu beruhigen, selbst wenn dies im Extremfall darauf hinausliefe zu behaupten, es gäbe weit und breit gar keine sozialen Unruhen.
'Dieses Land ist überhaupt nicht in der Stimmung, auf die Straße zu gehen', sagte Pin.
Umgehend beruhigten sich daraufhin die Finanzmärkte, um in aller Ruhe weiter zu machen wie bisher:

(vgl. rechte Bildhälfte, "Vandalismus der Wirtschaft")

Während die spanische Führungselite - allen voran Premierminister Mariano Rajoy, der gestern die radikalsten Haushaltseinschnitte seit 1978 verkündete - nachdrücklich die schweren Ausschreitungen auf der Straße verurteilte, konnte vonseiten der internationalen Finanzelite ein möglicher Zusammenhang zwischen der linken und der rechten Bildhälfte nicht bestätigt werden.

Auf die Nachfrage, ob vielleicht die Finanzelite auf einem Auge blind sei, antwortete ein weiterer Experte und Kenner des Polit-Finanz-Filzes (der namentlich nicht genannt werden wollte), das könne schon sein, sei aber ganz normal; denn solange die Politik auf dem anderen Auge blind sei, würde sich beides vortrefflich ergänzen.

Überhaupt, fuhr der Experte fort, sei das einäugige Sehen eine unschlagbare Methode zur Beruhigung der Finanzmärkte, sonst, wie es im Wortlaut hieß, "würden wir ja sehenden Auges in den Untergang rauschen".

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