Mittwoch, 27. April 2011

Fürst Pückler fröstelt


Man denkt ja immer, schlimmer kann es nicht kommen, aber es kann. Auf der nach oben offenen Dämlichkeitsskala im Bereich Designerfood geht noch was.

Lebensmittel mit angeblich gesundheitsförderndem Zusatznutzen, künstlich angereichert mit Stoffen, nach denen keiner gefragt hat, sind seit einiger Zeit schwer in Mode. Jetzt rücken sie einer der letzten Bastionen lustvoller Verfressenheit auf den Leib: dem Eis.

Bekanntlich gehört Eisessen zu den fegefeuerpflichtigen Sünden. Das macht es für die Functional Food Designer zu einem gefundenen Fressen. Nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, den Leuten fett- und/oder zuckerreduziertes Eis anzudrehen, holt die Industrie jetzt zur Großoffensive aus; sie droht mit der demnächst zur Marktreife gelangenden Erfindung der "multifunktionalen Eiskrem".

Die soll unglaublich gesund sein, obwohl sie nach wie vor dick macht und wie eh und je die Zähne ruiniert, aber egal, das Zeug wird der Abräumer der Saison werden. Sagen die, die auf die Wissenschaftsgläubigkeit des eisessenden Sünders spekulieren, der sich durch ein paar aufregend klingende Fachausdrücke gleich als Mitwisser von Laborgeheimnissen fühlt und aus lauter Begeisterung darüber konsumiert, was er soll. Da lacht das Labor.

Die Tatwerkzeuge, um der innovativen Chemiepampe einen gesunden Spin zu geben, heißen Ballaststoffe (im Eis, natürlich, da gehören Ballaststoffe hin), Antioxidantien, Inulin, probiotische und prebiotische Bakterien sowie vermutlich in naher Zukunft auch noch antibiotische Wirkstoffe, damit der geschundene Organismus den ganzen Chemiecocktail übersteht und ihn sich stets aufs neue zuführen kann. Fast könnte man sagen, eine nahrungsergänzende Eiskrem zur Stärkung der Immunabwehr.

Allerdings muss an ein paar eher gesundheitsunverträglichen Details noch gefeilt werden. Denn probiotisch - wer wüsste das inzwischen nicht - heißt verdauungsfördernd; Ballaststoffe - wir sind ja nicht doof - laufen in etwa auf dasselbe hinaus; so weit, so darmflorafreundlich - man wird ja beim gesunden Eisessen wohl ein paar Blähungen in Kauf nehmen können. Nur, jetzt kommt dieses verflixte Inulin noch dazu, eine Substanz, die einem milden Abführmittel gleichkommt. Der gesunde Zusatznutzen der multifunktionalen Eiskrem läge also darin, dass sie quasi dreifach verdauungsunterstützend wirkt, und das wäre, entspannt in der Fußgängerzone schlendernd, vielleicht nicht jedermanns Sache. Sonst könnten die Leute ja gleich an den öffentlichen Toilettenhäuschen Schlange stehen und dabei gefrorene Buttermilch am Stiel schlecken.

Aber wie gesagt, an der Feinabstimmung der Ingredienzien wird mit Hochdruck gearbeitet, damit es für den Eiskonsumenten nicht allzu druckvoll wird. Auch heißt es, die probiotischen Fremdkörper hätten einen befremdlich sauren Beigeschmack, den es noch mithilfe von Gottweißwas zu neutralisieren gälte, und tendierten obendrein dazu, dem Eis eine krümelig-klumpige Konsistenz zu verleihen, wogegen aber bestimmt ebenfalls irgendein funktionales Kraut gewachsen sein wird.

Letztendlich wird der Konsument der gedopten Kunsteiskrem also nicht so ganz genau wissen, was er da eigentlich in der Waffel hat. Aber die Eisdesigner, so viel steht fest, haben brachial einen an der Waffel.

2 Kommentare:

  1. Inulin, soso.
    Ich habe keine ahnung welcher scherzkeks den fooddesignern den kram aufgeschwatzt hat, aber ich empfehle den versammelten quaksalbern, sie mögen einfach mal zum selbsttest ein halbes pfund gekochte topinambur essen - und eine halbe stunde warten. Da haben sie dann ihr inulin.

    Es gibt nämlich eine ganze menge leute, auf die wirkt das inulin nämlich gar nicht "mild" - sondern hat im wahrsten sinn des wortes "durchschlagenden" erfolg.

    Die akteinkurse der hersteller für toilettenhäuschen werden steigen....

    grinzz
    bel

    Ich glaub ich mach demnächst meine eiskrem selbst:

    Natasha Zabolsky:
    Eis: Das kleine Handbuch zum ganz einfach Selbermachen

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  2. Zu Risiken und Nebenwirkungen setzen Sie sich zum Eisessen am besten gleich aufs Klo ;).

    Toller Buchtipp! Hab schon gestöbert: Schokoladeeis mit Doppelrahmstufe, ah!, ohne Eismaschine, nur mit Schneebesen, wird ausprobiert.

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