Samstag, 27. April 2013

Unter Geiern


Heute basteln wir uns eine aktuelle Schlagzeile. Zum Beispiel so:
Deutschland auf dem Vormarsch
Klingt schon mal gut. Aber zu unspezifisch. Vielleicht eher so:
Deutschland startet Feldzug in den Süden
Schon besser. Obwohl, Feldzug und Deutschland, kommt vielleicht nicht so gut. Dann halt so:
Deutschland startet Feldzug ohne Blutvergießen
Klingt schon viel sympathischer. Jedenfalls das mit dem ohne Blut. Nur, Feldzug, das hat halt schon so ein Gschmäckle. Vor allem bei denen da unten im Süden. Dann schreien die alle gleich wieder, und der Herr Schäuble muss sich wieder furchtbar aufregen. Wo es doch Deutschland bloß gut meint. Mit denen da unten. Im Süden Europas. Undankbares Pack. Aber gut. Wie wär's mit
Deutschland schickt Hilfstrupp in Krisenländer Südeuropas?
Gottogott, bloß nicht, das glaubt doch keine Sau mehr, das mit der Hilfe, auch nicht mit Fragezeichen. Überhaupt, was heißt schon "Deutschland"? Wer ist Deutschland?
Deutsche Unternehmer stehen Krisenländern bei
Könnte man so stehen lassen. Klingt nur einen Tick zu altruistisch - bitte, wo leben wir denn, wenn nicht im Kapitalismus? Da muss doch niemand sich seines gesunden Eigeninteresses schämen, Deutschland schon gar nicht und deutsche Unternehmer erst recht nicht. Also, immer raus mit der Sprache:
Deutsches Unternehmertum wittert Morgenluft 
Na bitte, geht doch. Klingt positiv, klingt nach Aufbruch in neue Zeiten, klingt irgendwie dynamisch. Hat aber noch nicht das Zeug zur perfekten Schlagzeile, denn es fehlt das Wo und Warum und das ganze Drumrum. Weil, man will ja wissen, worum es geht.

Ach was. Wir nehmen jetzt einfach die Original-Schlagzeile:
Deutsche Firmen nehmen Investment in krisengeschüttelten Ländern ins Visier
So, geschafft, jetzt ist es raus, und wir müssen mit dem Rest nicht hinterm Berg halten:
Deutsche Unternehmen richten ihren Blick auf Südeuropa, denn Befürchtungen eines Auseinanderbrechens der Eurozone klingen ab, und die Wirtschaftsreformen verwandeln die krisengeschüttelte Region in einen attraktiven Standort, um erneut zu investieren.
Wie, attraktiv? Ja sicher, wirtschaftlicher Niedergang plus galoppierende Arbeitslosigkeit macht in der Summe: attraktiv. Verführerisch. Nachgerade aufreizend.
Was Südeuropa so reizvoll macht, sind die Vorteile, die aus jenen strengen Austeritätsmaßnahmen und Reformen erwachsen, auf die die Politiker der Eurozone, allen voran Deutschland, gedrängt haben als Gegenleistung für finanzielle Bailouts.
Reformen, welche? Na, diese:
... die Arbeitsmarktreformen, zu deren Implementierung die Bailout-Länder gezwungen wurden - das 'Hire-and-Fire'-Prinzip zu erleichtern und die Lohnkosten zu senken - ...
- also das, was die Rezession vertieft und die Depression verschlimmert und die Suizidraten erhöht und die Verzweiflung gesteigert und die Krise fest etabliert hat, all das ist unterm Strich: attraktiv. Fürs deutsche Unternehmertum, Abteilung Mittelstand:
"Für finanziell gut aufgestellte deutsche Mittelstandsfirmen entpuppt sich die Krise als günstige Gelegenheit."
Heißt: In Ländern wie Spanien, Portugal und Griechenland können marode Firmen vergleichbarer Größenordnung zu Schnäppchenpreisen aufgekauft werden. Da heißt es zugreifen, bevor andere es tun:
"Da ist Bewegung in diesen Ländern. Worauf sollen wir noch warten? Darauf, dass alle anderen das ebenfalls mitkriegen? Wir wollen mit von der Partie sein, wenn sich etwas bewegt, und wir wollen mitspielen dabei."
Also, bloß nichts anbrennen lassen -
"In vielen dieser Länder herrschen fürchterliche wirtschaftliche Strukturen, vom deutschen Standpunkt aus gesehen. Im Moment stellen wir fest, dass der Zusammenbruch dieser Strukturen für uns in diesen Ländern Chancen eröffnet."
- sondern zuschlagen:
"Spanien gerät zurück in den Fokus, insbesondere vor dem Hintergrund fallender Lohnstückkosten ..."
- sowie, selbstredend, vor dem Hintergrund rasant steigender Arbeitslosigkeit.

Da geht noch was, in diesen Ländern, da geht noch ganz viel für unternehmerisch versierte deutsche Spähpanzer, ähm, Spürnasen. Ganz ohne Blutvergießen. Aber mit viel Gewinnaussichten.

Keine Ahnung, wieso mich beim Lesen des Artikels dauernd der tierische Assoziationsbereich streifte. Typisch Hyänen, dachte ich, aasfressende Raubtiere, stürzen sich wie wild auf alles, was dem Untergang geweiht ist. Es gibt eine Hyänengattung, die fällt blutrünstig sogar über noch zuckende, lebende Organismen her, um das frische Fleisch nach Herzenslust auszuweiden. Alle Hyänensorten sind bekannt für ihren besonders fein ausgebildeten Geruchssinn; sie riechen von weitem, wo es etwas zu fressen gibt. Charakteristisch an Hyänen sind ihre markanten, an Gelächter erinnernden Laute, um ihren Artgenossen mitzuteilen, dass sie Witterung aufgenommen haben.

Es heißt, das Wesen von Hyänen stehe - übertragen auf die menschliche Gattung - für Gefräßigkeit, Gier und ungehemmten Egoismus ohne jegliche Skrupel. Das ist aber falsch. Es steht
schlicht und einfach für Kapitalismus.

5 Kommentare:

  1. "Klaus von Dohnanyi (SPD)behauptete bei Anne Will, wir Deutsche müssten den Menschen und Regierungen „in Italien, Frankreich, Griechenland, Portugal klarmachen, dass sie sich in einer wettbewerbsorientierten Welt bewegen, und wenn die Deutschen ihnen einen Rat geben, bestimmte Dinge, die wir mit Erfolg gemacht haben, auch zu machen, ist das kein Druck, sondern Notwendigkeit. Man kann eben, ohne wettbewerbsfähig zu sein, nicht in der Eurozone mitleben.“ Wer das nicht akzeptiere, könne in ihr „auf Dauer nicht existieren“. Sein Beitrag wurde immer wieder von starkem Beifall unterbrochen. Man beklatschte die Philosophie vom werten und unwerten Leben. Das Unproduktive könne nicht existieren, könne nicht „mitleben“. Hier treffen sich die Marktphilosophie, die die darwinistische Auslese in der Natur auf die menschliche Gesellschaft überträgt, und der Faschismus als die ihr angemessene gesellschaftspolitische Gestalt.

    Dohnanyis Lüge besteht darin, dass nach seinen eigenen völkerkundlichen Begriffen die untauglichsten Europäer in Ostdeutschland wohnen. Ostdeutsche liegen im Selbstversorgungsgrad (unverschuldet) unter Griechenland und dem italienischen Mezzogiorno."

    Essay von Rainer Trampert, vollständiger Text
    -Deutsche Hegemonie in Europa- unter

    http://www.rainertrampert.de/artikel/deutsche-hegemonie-in-europa

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  2. lebt diese birgit breuel noch? dann muss die mit ihrer treuhand-erfahrung schnellsten nach südeuropa.

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