Mittwoch, 22. Februar 2012

Troikokratie


Man kennt das ja mit der Verschieberitis. Hat man einmal etwas verschoben und gemerkt, dass es funktioniert, wird es mit wachsender Begeisterung weiter verschoben und so lange hinausgeschoben, bis alle vergessen haben, was da eigentlich verschoben wurde und dass da etwas verschoben wurde. Weil, man hat ja ohnehin einen Haufen Probleme - warum also sich noch ein läppisches demokratisches Problem aufhalsen, wo man doch eh schon genug am Hals hat:

Es wird wahrscheinlich keine Wahlen im April geben, bedingt durch den "rigiden und strikten" Zeitplan, den die Troika-Forderungen auferlegen, berichtet 'Ethnos daily'. Das heißt, der nichtgewählte griechische Ministerpräsident wird alle Hände voll zu tun haben, ein höchst unpopuläres (Spar)Programm zu implementieren, so dass ihm die Zeit fehlen wird, das Volk zu fragen, was es davon hält.
Es reicht ja auch vollauf, wenn die Troika zufrieden ist mit der selbstgebastelten nichtgewählten Technokraten-Regierung in Athen.
Volk? Welches Volk?

Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?
Bertolt Brecht

3 Kommentare:

  1. Auf gewisse, sehr zynische Weise kann man sagen: Immerhin ehrlich und konsequent. Gleich gar keine Wahlen mehr anstatt Demokratie-Simulation. Und wenn das in Griechenland funktioniert, kann man es gleich zur best practice erklären und europaweit adaptieren. Als Ausgleich lässt man das hiesige Volk dann den Bundespräsidenten direkt wählen, das scheint ihm wichtiger zu sein als tatsächliche demokratische Partizipation oder die Zukunft Europas (vgl. Massenmedien, Twitter etc.).

    AntwortenLöschen
  2. "Auf gewisse, sehr zynische Weise kann man sagen: Immerhin ehrlich und konsequent."

    Das ist das eigentlich Schockierende an dem Vorgang: Sie geben sich schon gar keine Mühe mehr, wenigstens die Fassade von Demokratie aufrechtzuerhalten.

    "Und wenn das in Griechenland funktioniert, kann man es gleich zur best practice erklären und europaweit adaptieren."

    Darum geht es wohl - ich denke, Griechenland ist in politischer Hinsicht nichts als ein gigantisches Experiment, um Grenzen auszutesten, was sich noch alles an Knechtschaft ab- und herauspressen lässt.

    "Als Ausgleich lässt man das hiesige Volk dann den Bundespräsidenten direkt wählen, das scheint ihm wichtiger zu sein als tatsächliche demokratische Partizipation oder die Zukunft Europas"

    Da ist was dran. Erst wulffte es wochenlang aus allen Rohren, jetzt wird so ohrenbetäubend gegauckt, dass alles andere wie ein Nebenschauplatz in den Hintergrund rückt. Scheint als Ablenkmanöver gut zu funktionieren ;).

    AntwortenLöschen
  3. Gleich noch einen obendrauf:

    In schönstem Orwell-Sprech ist heute von"negative salary" die Rede. Heißt nicht etwa, dass du kein Geld fürs Arbeiten kriegst (wird in UK gerade zum Normalfall), sondern dass du draufzahlst, um arbeiten zu dürfen.

    "Some Greeks Might Have to Pay for Their Jobs

    It's being called the "negative salary": Due to austerity measures in Greece, it's being reported that up to 64,000 Greeks will go without pay this month, and some will have to pay for having a job.

    Today's "negative salary" deal—which could have government employees returning funds— reveals the real human impact of the austerity measures."

    Schön, unsere neue Welt.

    AntwortenLöschen