Mittwoch, 20. April 2011

Auf der Straße sitzen


Es ist Frühling, die Sonne lacht, da sitzt der Mensch gern im Freien. Die Frage ist: Wo setzt er sich drauf? Auf seinen Hintern natürlich, schon klar, nur: Wo setzt er seinen Hintern drauf? Gar nicht so einfach zu beantworten.


Denn zum Sitzen braucht der Mensch einen Sitz, gern auch eine Bank. In der unwirtlich gestalteten Großstadt sind jedoch Bänke und andere Sitzgelegenheiten zur Mangelware geworden; zumindest solche, die dem non-kommerziellen Sitzen dienen. Ausruhen? Innehalten? Nichtstun? In die Sonne blinzeln? Einfach mal ein paar entspannte Löcher in die Luft gucken? Wo kommen wir da hin? Großstädte sind nun mal keine Kurorte.


Sitzen im öffentlichen Raum - sofern es seine Existenzberechtigung nicht aus straßengastronomischem Verzehrszwang ableitet - gilt Stadtplanern offenbar als Problemfall, dem am effektivsten zu begegnen ist, indem altmodische Sitzbänke flächendeckend entfernt und neumodische so konzipiert werden, dass einem schon beim Hinschauen die Lust vergeht, sich länger als fünf Minuten darauf niederzulassen. Hauptsache unbequem; wem das nicht passt, kann sein Eis im Stehen schlecken, weitergehen oder gleich ganz wegbleiben.


Als erklärter Freund der zwanglosen Draußensitzkultur werde ich daher hellhörig, wenn das Stichwort von der "Rückeroberung des öffentlichen Raumes" fällt:

"Space is a rare commodity in cities, and so called 'Public Space' have been increasingly privatized, 'No Trespassing'. Public seating or rest areas are only created where consumption is offered."

Klingt vielversprechend. Weiter:

"undpartner is tired of this. Tired and in the mood to sit down, right here, right now. undpartner is ready to re-conquer public space: City residents are being given the opportunity to re-conquer room for communication and create a spot for everyday living..."

Klingt ja fast gegenkulturell, um nicht zu sagen subkulturell, ach was, subversiv! Klingt beinahe nach einem Aufruf zu widerständigem Handeln, zu urban-zivilem Ungehorsam, nach einem gut organisierten, wild picknickenden Innenstadt-Flashmob. Zu schön um wahr zu sein - an einem lauen Frühlingsabend findet quer durch die City ein fröhliches kollektives Open-Air-Grillen statt! Das olle Campingsitzkissen in den Rucksack und los geht's!


Halt, erst fertiglesen:

"...with 'wear-it-yourself' furniture."

Wie, Möbelstücke zum Selbertragen? Ich dachte eigentlich eher an so etwas Improvisiertes, was nichts kostet. Aber hier geht es um Design, und das kostet, auch wenn das Design den Charme des Improvisierten verströmen soll.



Und ein massives Metallgestell um den Hals zu schleppen finde ich auch nicht besonders gegenkulturell, wenn ich an einem heißen Sommertag die Stadt erobern gehe.

War jetzt nicht exakt das, was ich unter nicht-kommerziellem Sitzen verstehe.



Dann schon eher das.


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