Sonntag, 7. Juli 2013

Mehr Diktatur wagen


Hoppla, hatte ich neulich noch gedacht, das war jetzt aber von erfrischender Offenherzigkeit, jenes ungenierte Plädoyer für die Abschaffung gewachsener demokratischer Strukturen, die dem gesunden Wachstum finanzkapitalistischer Strukturen nur im Wege stehen.

Hoppla deshalb, weil es ja durchaus ungewöhnlich ist, wenn einschlägige Kreise derart unbeschönigt mit der Sprache herausrücken - wozu gibt es schließlich aufs sprachliche Retuschieren spezialisierte PR-Apparate? Genau, damit der Normaldenker als erstes die rosarote Brille aufsetzt, bevor er sein Gehirn einschaltet, sonst würde er ja nur noch schwarz sehen oder, im Einzelfall, braun.

Hoppla, durchfuhr es mich damals also, das muss wohl ein Ausrutscher gewesen sein, ein einmaliges Entgleisen aus der gewohnheitsmäßig alles verschleiernden PR-Schiene, ein situatives Aufblitzen von Wahrhaftigkeit, frei von manipulativen Winkelzügen.

Das Hoppla bleibt jedoch im Halse stecken. Weil, das war anscheinend gar kein einmaliger Ausrutscher. Denn wie es ausschaut, gehen die hammerharten, unverschnörkelten Offenbarungen der Finanzindustrie sukzessive in Serie. Unter der Überschrift
Nach dem Putsch in Kairo
schließt das Wall Street Journal sein aktuelles Editorial mit den erfrischend hammerharten Worten:
Die Ägypter hätten Glück, wenn ihre neuen herrschenden Generäle sich als aus demselben Holz geschnitzte Führungsfiguren erweisen würden wie Chiles Augusto Pinochet, der seinerzeit inmitten von Chaos die Macht übernahm und Reformkräfte anheuerte, die dem freien Markt verpflichtet waren, und so zum Geburtshelfer eines Überganges zur Demokratie wurde.
Ganz unverhohlen kommuniziert der Kapitalismus seine feuchtesten Träume, benennt Ross und Reiter sowie seine kraftvollen Kernwerte - freier Markt und Demokratie in einem Atemzug mit der Reminiszenz auf einen faschistischen Diktator -, um sein neoliberales Gedankengerüst abzusichern gleich einer Betonfestung. Das hat was. Das hat Rhythmus, wo jeder mitmuss. Rechts, zwo, drei, vier.

Kein Hoppla, diesmal. Nur ein eher vegetatives Geräusch, das dem Betroffenen entfährt, wenn der Groschen schlagartig gefallen ist. Gut zu wissen, wie ihr tickt, dort an der neoliberalen Front. Gut, dass ihr drüber gesprochen habt. Keine Fragen mehr.

Nur noch ein kleiner Song aus Chile.



5 Kommentare:

  1. ...so zeigt es sich, dass das gesamte Politiker- und Wirtschafts-Pack nur doch mit brutaler Gewalt in den Orkus gejagt werden kann....

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  2. "When Margaret Thatcher died, reminders of her enduring support and praise for Pinochet left a nasty taste in the mouth. While people are dying in the streets of Cairo, to read an expression of the same sentiment from a respected, globally-read newspaper is repellent." (The guardian)

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  3. Mit "Hoppla" hat dies nun wirklich nichts zu tun. Das Wall Street Journal erfüllt seine Funktion als Sprachrohr kapitalistisch orientierter Interessen und dazu gehört eben auch Sympathie für die Junta.

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  4. ein Hoch auf Pinochet!

    ohne Worte...

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