Donnerstag, 27. Dezember 2012

Rettungskräfte


Was wurde 2012 nicht alles gerettet! Allem voran natürlich der Euro, dicht gefolgt von der Eurozone, Europa im allgemeinen und Griechenland im besonderen. Von Bankenrettungen ganz zu schweigen. Schweigen wollen wir auch von all dem, was diesen Rettungen zuliebe rettungslos über Bord geschmissen wurde (Arbeitsplätze, Arbeitsrecht, Minimallöhne, Renten, Sozialsysteme, und, und, und). Ufert ja sonst aus.

Nun neigt sich das Jahr zu Ende, und man könnte es eigentlich gut sein lassen mit der ganzen Retterei, weil, 2013 geht's in die nächste Runde, wo voraussichtlich jeder nur noch seinen eigenen Arsch retten wollen werden wird. Jedoch - irgendwie haben die Retter sich an ihre bescheuerte Rettungsrhetorik so sehr gewöhnt, dass sie kurz vor Torschluss noch eine delikate Kapriole oben drauf legen müssen:
"Weihnachten wurde gerettet!"
Huch. Hatte es nicht immer geheißen, dass ab Weihnachten der rettende Erlöser höchstpersönlich unterwegs sei? Wieso in drei Teufels Namen musste jetzt der Retter gerettet werden? Antwort, ganz einfach: Wenn einer dieser neuzeitlichen Retter von Rettung spricht, meint er in aller Regel seine eigene Kohle, und mit Weihnachten meint er: seinen Weihnachtsumsatz, sprich also: "Mein Weihnachtsumsatz wurde gerettet!" Gerettet vor was? Vor dem befürchteten Absturz. Gerettet von wem?
"Weihnachten wurde gerettet von der festlichen Stimmung."
Haben das jetzt alle? Nochmal ganz langsam zum Mitschreiben: Erst drohten die Weihnachtsumsätze fürchterlich den Bach runter zu gehen, wurden dann aber, quasi in einem last-minute-Coup, von der weihnachtlichen Kaufstimmung gerettet. Klingt wie ein saisonaler Notarzteinsatz, oder? Uff, seufzt der Einzelhandel, hörbar erleichtert, da haben wir grade nochmal die Kurve gekriegt, und wem verdanken wir die umsatzrettende Notmaßnahme? Jetzt bitte anschnallen, dann weiterlesen: der Krise!
"Je tiefer wir in die Krise geraten, desto mehr gibt es Momente wie diesen, wenn die Leute zu sich selbst sagen: Scheiße, einfach mal loslassen."
Ohne Scheiß, genau das hat er gesagt, zwar nicht "Scheiße", sondern "merde", weil es ein französischer Einzelhändler war, das aber im Originalton. Immerhin wissen wir jetzt, was unter festlicher Stimmung zu verstehen ist, nämlich "Scheiße, einfach mal loslassen", nämlich sich in weihnachtlich-entspannter Vorfreude von der krisenbedingt knappen Knete zu emanzipieren.

Früher wurde dieses Phänomen Konsumdruck genannt, heute sagt man halt "festliche Stimmung"; wem da nicht warm ums Herz und - scheiß' drauf - leer im Geldbeutel wird, der ist nicht mehr zu retten.

2 Kommentare:

  1. Aha, Weihnachten wurde also gerettet, ich war schon der Überzeugung es wurde geklaut,da keine wirkliche Weihnachtsstimmung aufkam.
    So kann man sich irren, aber so was kann in diesem Irrenhaus schon mal vorkommen.
    Im kommenden Jahr gibt es ja Neuwahlen, dann kommen sicher die nächsten Retter, die jetzt an Weihnachten geboren und an Ostern dann ihre Auferstehung feiern.

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