Sonntag, 16. Dezember 2012

Neues aus der Heilanstalt


Die selbsternannten Rettungssanitäter kriegen den Hals nicht voll. Nachdem das Geschäft mit der sogenannten Rettung der Eurozone vorbildlich nach Plan läuft, muss jetzt eine neue siegreiche Rhetorik her; eine Rhetorik, die die Lichtgestalt des Retters adelt zum Halbgott in Weiß, zum Heiler, ach was, zum Heiland, wo der doch demnächst geboren ward und, rein saisonal gesehen, einer Heiligsprechung der Heilsbringer nichts mehr im Wege steht.
Seit dem Sommer haben sich die Spannungen in der Eurozone merklich gelöst.
- ließ die Europäische Zentralbank vor zwei Tagen verlauten und notierte
... eine Reihe von Indikatoren, dass die Eurozone beginne zu heilen.
Eurozone, o Haupt voll Blut und Wunden, endlich wirst du wieder gesund! Geheilt von was? Von all den Blessuren, die dir zugefügt wurden. Geheilt von wem? Na, von denen, die dir die Blessuren zugefügt, dich hernach gerettet und nunmehr geheilt haben. Weil, in der Heilanstalt Europas kommt alles aus einer Hand, das nennt man effizientes Therapieren.

Noch sei der Patient allerdings in kritischer Verfassung, hieß es auf der Pressekonferenz des Europäischen Kurpfuscherverbandes: Bei der letzten Chefvisite habe man gewisse "Schwächesyndrome" verdoktert. Schwächesyndrome? Womöglich ein dezentes Eingeständnis ärztlicher Kunstfehler? I wo. Die größte Schwachstelle im Heilungsprozess, laut Diagnose der Chefbanker im weißen Kittel, seien
"... die fallenden Profite der Banken"
- aber ansonsten sei die Fieberkurve an der europäischen Reha-Front erfreulich am Sinken und die wirtschaftliche Genesung im Steilanstieg, abzulesen an der jüngst gestiegenen Export- und Wettbewerbsfähigkeit Spaniens und Italiens, die sich den gefallenen Lohnkosten verdanke; ein laut EZB klar "positiver" Befund, auch wenn diese Verbesserung des Gesundheitszustandes
... ihren schweren Preis habe, nämlich hohe Arbeitslosigkeit und sinkende Einkommen: "Diese Anpassung hat einiges gekostet, aber wenigstens können wir sagen, die Anpassung hat stattgefunden."
- womit der EZB-Vizechefkittel Constancio die alte hippokratische Weisheit zum Ausdruck brachte, dass die heilende Rosskur ("Anpassung") ohne Schmerzen nicht zu haben und fallende Löhne nun mal leichter zu verschmerzen sind als fallende Bankprofite und, summa summarum, die Operation erst dann als gelungen betrachtet werden könne, wenn der Patient tot sei. Vorher, so der Heilkundler von EZBs Gnaden, sei es fahrlässig, von vollständiger Heilung zu sprechen.

Unterdessen hat ein anderer Heilkundiger gerade dem Krankenbett Griechenland einen Besuch abgestattet, also jenem Patienten der europäischen Heilanstalt, dessen Heilung bekanntlich am weitesten fortgeschritten ist. Der Besucher, immerhin ein hartgesottener Traumatherapeut aus Deutschland, steht immer noch unter Schock, nennt das,
... was da gerade unter unser aller Augen geschieht, eine "gigantische Verdrängungsleistung". Besonders der Abwehrmechanismus der Politiker funktioniere hervorragend.
- und fragt sich,
"... wieviel diese Gesellschaft noch aushalten kann, bevor sie explodiert."
Alles halb so wild, kontern die EZB-Spindoktoren: Solange sich die Spannungen in der Eurozone merklich lösen, halten wir an unserer gigantischen Verdrängungleistung fest, können noch viel mehr Verdrängung aushalten, bevor irgendeine Gesellschaft explodiert und wünschen allen Patienten auf der europäischen Intensivstation:


Gute Besserung und ein frohes Fest!

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