Sonntag, 29. Januar 2012

Kalte Grüße aus Davos


"People will accept austerity if we also talk about growth."
Helle Thorning-Schmidt, dänischer Premierminister,
zur Zeit in Davos

(Die Leute werden es schon schlucken, wenn wir sie noch tiefer in die Armut stoßen, solange wir ihnen gleichzeitig etwas von Wachstum erzählen.)

"A girl walks past the slogan written in the snow beside the promenade."
(in Davos)

Freitag, 27. Januar 2012

Zur Maske, bitte


Es gibt sie noch, die guten alten Dinge, zum Beispiel Zivilcourage.

Kader Arif, der EU-Berichterstatter für ACTA (das in aller Heimlichkeit ausgemauschelte Internet-Zensurinstrument Anti-Counterfeiting Trade Agreement zur angeblichen Eindämmung von Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen) hat seinen Bericht abgeliefert und gleichzeitig seinen Job hingeschmissen. Seine Begründung, zusammengefasst:
"Ich werde nicht an dieser Maskerade teilnehmen."
Arif möchte mit seinem Rücktritt den gesamten Vorgang, der zur Unterzeichnung dieses Abkommens geführt hat, "auf das Schärfste anprangern":
"Als Berichterstatter habe ich noch nie solche Manöver des rechten Flügels dieses Parlamentes beobachtet: Mit einem beschleunigten Vorgang wurde das Abkommen verabschiedet, bevor die Öffentlichkeit alarmiert werden konnte. Dadurch wurden dem Europäischen Parlament die Rechte genommen, seine Meinung auszudrücken und die berechtigten Forderungen der Bürger und Bürgerinnen als Argument vorzubringen.
...
Dieses Abkommen kann schwerwiegende Konsequenzen für das Leben der Bürger und Bürgerinnen haben, und trotzdem wird alles unternommen, um das Mitspracherecht des Parlaments zu unterwandern. Deswegen wünsche ich heute, als Verantwortlicher für diesen veröffentlichten Bericht, ein Zeichen zu setzen und alarmiere hiermit die Öffentlichkeit über diese inakzeptable Situation. Ich werde nicht an dieser Maskerade teilnehmen."
Maske runter, Hut ab!

Auf den Straßen Polens tobt der Protest gegen die Unterzeichnung des Abkommens und den damit beabsichtigten Übergriff auf die Meinungsfreiheit. Im polnischen Parlament trugen Abgeordnete der linksgerichteten Palikot's Movement aus Protest gegen das intransparente Gesetzesverfahren (gefakete!) Guy-Fawkes-Masken.


Masken rauf, Hut ab!

Ich versuche mir gerade vorzustellen, dass irgendeine deutsche Partei, sei sie links- oder sonstwie gerichtet, aus politischem Protest gegen klammheimlich eingefädelte Zensurmaßnahmen im Bundestag demonstrativ Masken aufsetzt. Es will mir nicht gelingen. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Beim besten Willen nicht.

Mittwoch, 25. Januar 2012

Lachen mit Lapuente


Wenn ich eins während meiner Campexistenz gelernt habe, dann dies:
Armut kann lustvoll sein.

Nur hätte ich mich das bis heute nie getraut einfach so hinzuschreiben, weil man mit so einer Aussage schon arg nah am Sozialkitsch vorbeischrammt. Mir haben schlicht die passenden Worte gefehlt, meine gelebte Erfahrung angemessen auszudrücken - dass nämlich Armut, Selbstbeschränkung und das daraus resultierende Improvisieren, mit anderen Menschen geteilt und (selbst)organisiert in die eigenen Hände genommen, richtig Spass machen kann.

Rums, jetzt ist es raus: Armut kann Spass machen, habe ich gerade geschrieben. Ein Unding, eigentlich. Kann man doch nicht einfach so sagen! Wo doch Armut stets in den Kontext von Entbehrung, Not und Mangel eingebettet wird, und wer Not leidet, der leidet, und wer leidet, der hat nichts zu lachen.
"... denn Lachen ist in einer Welt der Tränen verboten."
Eben. Wer nie sein Brot mit Tränen aß. Zwar würde ich mir nie anmaßen, Goethe zu widersprechen, möchte aber doch in aller - dem improvisierenden Freestyle verdankten -Bescheidenheit hinzufügen: Wer nie sein Brot mit Tränen aß, der kennt euch nicht, ihr Götter des Gelächters.
"Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit: Nach Sozialabbau zu lachen ist unmoralisch. Nach Hartz IV ein Gedicht zu schreiben ist barbarisch. Schreiben Sie mal eine Polemik zu solchen Themen! Auch sich links fühlende Personen werden sich darüber ereifern! Unsachlichkeit wirft man dann vor! Kunst ist für solche Gestalten etwas, was es für ihre Ziele zu formen gilt - sie ist nicht frei, sie hat dienstbar zu sein. Dabei ist Humor und Elend vereinbar, man darf nur kein dogmatischer Sozialist sein - siehe Chaplin, der die Armut mit Lachen zeigte; siehe Benigni, wie er im KZ frotzelte. Die Ästhetik des Humors ist notwendig, um die Ästhetik der Unterdrückung zu begreifen."
schreibt heute Roberto de Lapuente in seinem Blog und verführt mich zu fröhlich-breitem Grinsen, obwohl ich gerade Hunger habe und weit und breit nichts zu essen in Sicht ist. Einstweilen sättigen mich Sätze wie diese:
"... fraglich ist, ob es eine Bereitschaft gibt, den konsumistischen Stil gegen ein viel pragmatischeres, letztlich damit auch sozialeres Konsumverhalten einzutauschen. Und ob die Menschen nach ihren Protesten die Melancholie weiterleben wollen unter anderen Regeln oder hedonistisch die Welt lockerer, entspannter gestalten möchten."
Yeah. Ein hedonistisches Manifest, dem ich mich uneingeschränkt anschließe. Danke, Roberto.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Solidarität mit Bradley Manning


(zum Vergrößern auf Bild klicken)
Freiheit für Bradley Manning!
Wir demonstrieren am 21.01.2012 in Frankfurt am Main für die Freilassung des vermeintlichen Whistleblowers und US-Soldaten Bradley Manning. Seit dem Mai 2010 befindet sich Bradley Manning in Haft und wird beschuldigt, geheime Daten an Wikileaks weitergegeben zu haben.

Die Enthüllung von Kriegsverbrechen ist kein Verbrechen!
Die vorgeblich von Manning veröffentlichten Daten enthüllen Kriegsverbrechen. Siehe hierzu das als "Collateral Murder" bekannte Video, das einen Angriff eines US-Helikopters auf Zivilisten im Irak-Krieg zeigt. In einem ihm zugeschriebenen Chatprotokoll äußert Manning, er habe die Informationen veröffentlicht, um "weltweite Diskussionen, Debatten und Reformen" auszulösen und die Wahrheit für alle Menschen ans Licht zu bringen, "weil man ohne Informationen als Öffentlichkeit keine begründeten Entscheidungen treffen kann".

Amnesty International bezeichnete seine Haftbedingungen als "menschenunwürdig", der Menschenrechts-Ausschuss des Bundestages sieht seine Behandlung als Verstoß gegen die Menschenwürde. Erst nach massivem Protest wurde er aus dem Militärgefängnis Quantico in die Haftanstalt Fort Leavenworth verlegt.
Für neun Monate befand sich Bradley Manning jeden Tag 23 Stunden in seiner Zelle, in der er weder Sport treiben noch persönliche Gegenstände haben durfte. Eine Stunde täglich befand er sich außerhalb seiner Zelle "stets gefesselt" in einem kargen Raum, in dem es ihm erlaubt war, zu gehen.

Bradley Manning muss befürchten, dass an ihm ein Exempel statuiert wird, das künftige Whistleblower abschrecken soll.

"Political language is designed to make lies sound truthful and murder respectable, and to give the appearance of solidity to pure wind."
George Orwell
(Einleitung zum Video "Collateral Murder")

"Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Sumpf hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Sumpf macht."
Kurt Tucholsky

PS:
Hab' mich vertippt. Es muss natürlich heißen "Schmutz" statt "Sumpf" laut Originalzitat von Kurt Tucholsky. Tschuldigung.

Samstag, 14. Januar 2012

Der Herr Karl lässt grüßen



Der Herr Karl lässt schön grüßen -

- insbesondere alle Zensurfanatiker, Kontrollfreaks, Strippenzieher, Heckenschützen, Undercover-Schnüffler, Nach-unten-Treter, Prozesshansel und alle anderen ...


... denen die Idee der Meinungsfreiheit ein Stachel im Fleisch ist.

Donnerstag, 12. Januar 2012

Kleine Nachtmusik



Toller Text.
Wie aus dem prallen Leben gegriffen.

Samstag, 7. Januar 2012

Das Camp, der Schlamm und der Sumpf


Über schlammiges Gelände zu schliddern ist das eine.

Durch den Sumpf zu waten das andere.

Über den vom Regen aufgeweichten, schlammigen Boden des Camps zu schliddern kann zu einer recht waghalsigen Angelegenheit werden, vor allem bei Dunkelheit. Hier ein falscher Schritt, dort ein ungut schmatzendes Geräusch, und im Handumdrehen verwünscht man sämtliche Neujahrswünsche für einen guten Rutsch. Dieser schlammige Untergrund ist zwar lästig und nicht ungefährlich, aber man gewöhnt sich daran (wie an viele andere Einschränkungen, die das Campleben mit sich bringt), lernt - mithilfe von Humor und Schuhwerk, beides gleichermaßen robust - sich zu arrangieren und kommt zu dem Schluss, dass es Schlimmeres gibt als über Schlamm zu schliddern.

Zum Beispiel durch den Sumpf zu waten. Durch die Niederungen jenes zähen, trüben, intransparenten Sumpfes, zu dem sich die fortschreitende Cliquenbildung und Klüngelwirtschaft bei Occupy Frankfurt mittlerweile eingedickt hat. Gegen diesen Sumpf schützt weder Schuhwerk noch Humor, mag beides noch so robust sein. Dieser Sumpf tut vor allen Dingen eines: Er zieht runter. Auf Schlamm kann man ausrutschen, hinfallen und wieder aufstehen. Im Sumpf bleibt man hoffnungslos, bewegungslos stecken. Mit dem Hinfallen und Wiederaufstehen habe ich kein Problem. Mit dem Steckenbleiben schon.

Ist ja auch logisch. Eine Bewegung ist dazu da, dass sich etwas bewegt, inklusive Ausrutschen, Hinfallen und Wiederaufstehen. Steckenbleiben ist das Gegenteil von Bewegung. Bewegung ist das Gegenteil von Sumpf. Ich ziehe es vor, mich frei zu bewegen.

Donnerstag, 5. Januar 2012

Sturm


"Dem Sturm entgegenzutreten, wie oft er uns auch zu Boden blasen mag, sollte uns lehren, dass wir nicht so stark sein müssen wie der Sturm, um ihm zu trotzen. Wir müssen nur stark genug sein, aufrecht zu stehen. Ob wir dabei nun vor Angst schlottern oder unsere Faust schütteln, wir sind so lange stark genug, wie wir aufrecht stehen."
Bleib auf deinem Weg - Die Weisheit eines alten Indianers


Mittwoch, 4. Januar 2012

Endlich Ruhe



Ruhestands-Rock'n'Roll, 1 %


Ruhestands-Blues, 99 %

Sonntag, 1. Januar 2012

Hals- und Beinbruch


War viel los gestern abend auf dem Willy-Brandt-Platz am Camp. Halb Frankfurt hat mitgefeiert bei der Occupy-Silvesterparty. Punkt zwölf Uhr fielen sich alle Occupier euphorisch um den Hals, auch solche, die sich möglicherweise lieber gegenseitig an die Gurgel gegangen wären. Silvester halt.

Mein persönliches Highlight war die Straßenbahn.


Genauer gesagt, ein Straßenbahnfahrer.

Im Schrittempo fuhr die Bahn an den feiernden Menschen vorbei, stockte, ruckelte, fuhr vorsichtig wieder an. Und plötzlich schaltete der Fahrer seine Außenlautsprecheranlage an und verkündete quer über den Platz seine Neujahrsgrüße ans Camp:


"Ich wünsch' euch einen guten Rutsch und Erfolg fürs neue Jahr!
Macht weiter!
Bleibt auf dem Platz!
Im nächsten Jahr will ich euch hier wiedersehen, ist das klar?"

Ja, ist klar. Noch klarer wäre es, wenn alle so dächten wie der Straßenbahnfahrer und dies auch laut sagten. Aber - man kann nicht alles haben. Auch nicht an Silvester. Happy New Year. Man sieht sich.